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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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blanke Kupferplatte?«
    »Es war ein Irrtum. Alles war ein Irrtum. Ich bin belogen worden, seit ich denken kann. Ich verfluche alle, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin. Was hat man Njuscha von der Welt erzählt? Nichts! Aufgewachsen wie ein Fohlen ist sie, frei herumrennend in der Steppe. Warum bin ich anders? Warum denke ich? Warum sehe ich diese verdammte Welt durch die Brille einer Ideologie? Warum lernte ich Zitate von Lenin und Stalin, statt das einfache Wort: Ich liebe dich! Nimm mich! Frage nicht! Laß uns vergessen! – Sie haben eine Sünde an mir begangen, alle, alle … und nun habe ich den Teufel in mir, werde ihn nicht los und ersticke an ihm.«
    Sie hielt Bodmar willenlos den Arm hin, er entfernte den durchbluteten Verband, schmierte auf die Wunde eine Heilsalbe, die köstlich kühlte und das Brennen wegnahm, verband sie dann neu und rieb zum Schluß ihre Stirn und – nach einem kurzen Zögern – auch ihre Brust mit Kölnisch Wasser ein.
    Sie ließ alles geschehen mit geschlossenen Augen, nur ihre Lider zuckten kurz und schnell, als er ihre Brust einrieb.
    »Am Abend werden die größten Schmerzen vorüber sein«, sagte er sanft, deckte sie zu und strich über ihr schwarzes, kurz geschnittenes Haar. »Schlaf jetzt … du hast viel Blut verloren …«
    Sie nickte mit geschlossenen Augen. Als sie sprach, war ihre Stimme klein wie aus einem Mauseloch.
    »Ich kann nicht schlafen –«
    »Soll ich dir etwas zum Schlafen geben?«
    »Ja –«
    »Eine Tablette?«
    »Nein. Gib … gib mir einen Kuß –«
    Er beugte sich über sie und küßte sie auf die schmalen Lippen. Sie waren kühl, wie die einer Toten, und er war erschüttert, wie tief die Niederlage gegen Njuscha sie getroffen hatte.
    »Kannst du jetzt schlafen?« fragte er über ihren Lippen. Sie nickte und ihr Mund öffnete sich etwas.
    »Noch einen Kuß … bitte …«
    Er küßte sie zum zweitenmal, und diesmal länger und mit klopfendem Herzen. Er spürte ihre kleine Zungenspitze, wie sie sich einen Weg zwischen seine Lippen und seine Zähne suchte. Mein Gott, beginnt das alles wieder von vorn? dachte er. Es muß ein Ende haben.
    Er riß sich los und legte seine Hand über ihre Augen.
    »Schlaf jetzt –«, sagte er.
    »Ich schlafe ja schon. Geh hinaus … du deutscher Hund –!«
    *
    Im Wohnzimmer wartete auf Bodmar eine Überraschung.
    Besuch war gekommen, den Kolzow mit saurer Miene heranlassen mußte, denn wer da ungebeten erschienen war, hatte ihn schon als Säugling auf dem Schoß geschaukelt.
    »Das ist er also?« sagte der Besucher und bestaunte Bodmar wie ein Wundertier. »Stark und groß ist er. Das wird ein Fest.«
    Kolzow zeigte auf den Alten und strich sich über den buschigen Schnurrbart. »Das ist Anton Christoforowitsch Babukin«, sagte er, als gösse er Wasser in den Wein. »Der Freund meines Vaters und Großvaters. Gott erhalte ihn weitere hundert Jahre –«
    Babukin nickte Bodmar freundlich zu und klapperte mit einem Stock gegen das Tischbein. Im ganzen Don-Gebiet, von Rostow bis Woronesch, kannte man den alten Babukin und behandelte ihn wie ein wertvolles Fossil. Wie alt er wirklich war, wußte niemand, selbst der Pope Ifan fand in den Kirchenbüchern nur die Eintragungen vom Tod der vier Frauen, die Babukin in seinem sagenhaft langen Leben verschlissen hatte. Er wohnte in einer Hütte am Don-Ufer, dicht neben der Haupttränke der Pferde, saß tagaus, tagein unter dem überhängenden Strohdach und gab den jungen Kosaken gute Lehren. »Ihr Hohlköpfe!« schrie er zum Beispiel. »Ihr schwanzlosen Teufel! Erst haben die Pferdchen Klee gefressen, und jetzt saufen sie sich den Wanst voll! Sollen sie die ganze Nacht durchfurzen, he? Wie geht es euch denn, wenn ihr frisches Brot gefressen habt und Kwass darauf trinkt? Dann donnert ihr wie sieben Herbstgewitter! Glaubt ihr, die Gäule haben keinen Darm?«
    Unbestritten, Babukin verstand etwas von Pferden. Er war der letzte überlebende Ataman, der noch vor dem Zaren Kunststückchen geritten hatte und von dem man erzählte, er habe sich in Gegenwart der Großfürstin Olga Petrowna an einen Baum gestellt und sein Wasser abgeschlagen. Das Entsetzen über dieses Benehmen verstand er nicht. »Wozu der Lärm?« soll er geschrien haben. »Mein Pferd und ich pinkeln, wo's uns überkommt!«
    Berühmt waren die Attacken, die Babukin geritten hatte. 1914 gegen die Deutschen, 1919 gegen die Roten, 1920 gegen die Weißen … man war sich damals nie ganz klar, wohin Babukin überhaupt

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