Liebe auf Dauer

umtreiben. Offenbare ich diese dem Partner nicht, offenbart er sie nicht vor mir, lernen wirwichtige Teile unserer Persönlichkeiten nicht kennen. Die daraus resultierenden Verhaltensweisen bleiben fremd und befremdlich. Es wird daraus ein »bösartiges Geheimnis«, das die Beziehung vergiftet, zum Beispiel wie im Fall von verschwiegenem Missbrauch: Weil der Partner nichts weiß davon, schiebt er die sexuellen Probleme, die daherrühren, dem Partner als Schuld oder Unfähigkeit in die Schuhe und macht ihn noch ein weiteres Mal zum Sündenbock, anstatt mitfühlend auf das Erlittene einzugehen.
Hinweise
Wann immer Sie den Impuls dazu haben, erzählen Sie dem Partner von sich, von Ihrem Erleben, von Ihren Gedanken und Gefühlen zu diesem und jenem, und: von Ihrer Geschichte. Wenn man die Eltern oder andere Mitglieder der Herkunftsfamilien besucht hat oder von ihnen besucht wurde, wenn besondere Feste und Feiern anstehen oder vorüber sind, dann sind das solche Anlässe, wo einem dieses oder jenes einfällt von früher. Teilen Sie es dem Partner mit. Manchmal kommen einem auch Erinnerungen oder steigen Bilder in einem hoch, ohne dass man weiß, warum. Es kann wichtig sein, sich im Austausch mit dem Partner damit zu beschäftigen. Oft werden dann darin wichtige Lebensthemen wach, mit denen sich neu zu beschäftigen für die Entwicklung unter Umständen von Bedeutung ist.
Dasselbe gilt auch in der anderen Richtung: Seien Sie neugierig und interessiert am anderen. Sprechen Sie alles an, was Ihnen an ihm »frag-würdig« erscheint. Und: Tun Sie es, bevor Sie über das Fremde, das Ihnen in ihm begegnet, ärgerlich werden und das Bedürfnis haben, es zu kritisieren.
Manchen Paaren hilft es, ein anderes Medium als das Gespräch dafür zu benützen. Sie schreiben sich zumBeispiel in gewissen Abständen Briefe, auch wenn sie zusammenleben und es äußerlich nicht »nötig« wäre, brieflich zu verkehren. Briefe sind ein gutes Gegenmittel gegen das Gewöhnlich-Werden des anderen und für den anderen, sie geben die Möglichkeit, Seiten von sich zu zeigen und mitzuteilen, die im direkten Gespräch nicht in Worte zu fassen sind.
Wenn es darum geht, sich selbst und/oder den anderen als Kind besser kennen und spüren zu lernen, kann ausführliches Befragen der Eltern-Generation sehr hilfreich sein. Ergänzend oder auch alternativ dazu ist die Lektüre zeitgeschichtlicher Literatur sehr nützlich. Wie es unserer Generation als Kind ergangen ist, das ist immer noch stark von der Zeit des Zweiten Weltkrieges und der Nachkriegszeit bestimmt. Darüber sind in den letzten Jahren gute Bücher erschienen, die uns auch einen neuen Zugang zu unserer Elterngeneration und darum zu uns selbst als Kind ermöglichen (vgl. Haffner 2000, Hamann 2002, Schenk 2002).
Es kann sein, dass sehr wichtige Erlebnisse aus der Kindheit dem Partner nicht mitgeteilt werden können, weil die Angst, was bei mir selbst und bei ihm dann passiert, zu groß ist. Dies wird bei traumatischen Ereignissen, in denen der Betroffene sich als wehrloses Opfer gefühlt hat, vor allem der Fall sein, wie zum Beispiel bei Gewalterfahrungen, Missbrauch, schweren Unfällen und dergleichen. Wenn Sie spüren, dass es wichtige Geschehnisse gibt, die dem Partner mitgeteilt werden müssten, damit er Wesentliches von Ihnen versteht, aber Sie können es nicht, empfielt es sich, einen Therapeuten/eine Therapeutin aufzusuchen, die in der »Traumatherapie« (EMDR) geschult ist, die in den letzten Jahren entwickelt wurde und die sich als äußerst effektive Methode erwiesen hat.

3 Versöhnen Sie sich mit Ihrer Vergangenheit
Die Kunst, füreinander frei zu werden
Versöhnt oder im Hader?
    Wir haben schon im vorausgehenden Kapitel gesehen, wie sehr unsere Vergangenheit in die Gegenwart unserer Paarbeziehungen hineinspielt. Die Nähe, die durch die erotische Liebe zwischen Mann und Frau entsteht, und die existenzielle Bedeutsamkeit dieser Erfahrung beleben mit Notwendigkeit die Beziehungserfahrungen, die wir noch grundlegender und existenzieller in unserer Kindheit mit den Geschwistern und vor allem mit Mutter und Vater gemacht haben. Wir haben diese Beziehungserfahrungen als das erste und grundlegende Modell von Beziehung überhaupt in uns aufgenommen, und die Eltern waren für uns das erste Modell von Frau-Sein und Mann-Sein überhaupt. Damit bekommt die Art und Weise, wie wir uns dazu stellen, ob zustimmend oder ablehnend, ob wir in Frieden damit sind oder im Hader, eine große Bedeutung für