Liebe auf dem Pulverfaß
herunterkletterte, verlor den Halt und fiel ins Bodenlose.
Kehat blieb auf der letzten festen Stiege stehen und starrte in den Quergang. Vorwärts oder zurück … das war jetzt die einzige Frage. Denn eins war sicher: Entdeckte man sie im Hause Jasirs, gab es durch diesen Gang keinen Rückweg mehr. Bevor sie ihn zurückgekrochen waren, standen die Wächter längst am Ausstieg und schossen sie ab wie aus dem Bau getriebene Füchse.
»Ich komme –«, hörte er von oben Aminas leise Stimme. Er nickte stumm. Seine Kehle war wie eingeschnürt. Die Entscheidung war gefallen.
Und plötzlich wurde er ganz ruhig –
Mit Jasir hatte Dr. Safar Murad noch ein sehr kritisches Gespräch gehabt. Ghazi Muhamed aus Köln hatte den Erfolg seiner Nachforschungen sofort an alle Führer der verschiedenen arabischen Organisationen durchgegeben, und so erfuhr auch Jasir, daß man Kehat Yonatan und Amina Murad in Rom vermutete. Das warf ihn fast vom Diwan, und er rannte sofort zu Safar.
»Warum haben Sie mir nicht gesagt –«, rief er sofort, als er ins Zimmer kam, »daß Ihre Tochter Amina mit dem Judenlümmel unterwegs ist? Jetzt verstehe ich vieles! Die Väter arrangieren sich! Safar, welches Spiel wird hier getrieben? Sind Sie dabei, die heilige palästinensische Sache zu verraten?«
»Welch ein kleines Gehirn haben Sie doch, Jasir«, sagte Dr. Murad ruhig. »Wie ein Vogel so klein! Vor zwei Tagen erklärte ich Ihnen noch, daß wir Kehat Yonatan als Geisel gegen seinen eigenen Vater verwenden wollen. Aber wie sollen wir eine Geisel in die Hand bekommen, ohne uns darum zu bemühen? Yonatans Sohn ist ein kluger Bursche, aber er liebt schöne Frauen. Was liegt näher …«
»Das große Opfer für Palästina? Das soll ich Ihnen abnehmen, Safar?«
»Haben Sie nicht den Beweis? Meine Tochter hat es erreicht, daß Kehat Gefallen an ihr fand.«
»Und beide flüchten! Sie tun genau das Gegenteil dessen, was geplant ist. Ist das auch für die Revolution?«
»Vielleicht.« Dr. Murad schielte hinüber zu Professor Yonatan. Der Israeli hockte gebrochen auf seinem Diwan und verfolgte die Unterhaltung mit leeren, abwesenden Augen. Wieder wunderte sich Murad über diese große schauspielerische Leistung. Moshe stellte einen Vater dar, den das Schicksal seines Sohnes an den Rand eines Herztodes brachte. »Amina hat von mir den Auftrag, Kehat zu einer Kontaktstelle der Fedajin zu bringen. Dann haben wir ihn fest.«
»Und wo sind sie jetzt? Untergetaucht! In Rom!«
»In Rom?« Safar zuckte zusammen. Sogar der völlig zerstörte Yonatan hob den Kopf. Rom? Was wollten sie in Rom? Vorgestern waren sie noch in Kairo, standen gegenüber auf der Straße, und Amina spielte auf einer Hirtenflöte. Und jetzt Rom? Was war draußen, außerhalb dieser Mauern, geschehen? »Das ist mir unbekannt«, sagte Murad ehrlich. »Von Rom war nie die Rede.«
»Sehen Sie!« Jasir sah triumphierend um sich. »Ghazi Muhamed hat die neuesten Meldungen durchgegeben. Dieser Judenbengel hat sogar einen Schußverletzten einer Terrorgruppe operiert …«
»Was hat er?« Murad sah jetzt Yonatan voll an. Verstehen Sie das, hieß dieser Blick. Irgend etwas stimmt hier doch nicht! Haben sie sich etwa getrennt? Amina in Kairo, Kehat in Rom? »Das ist doch völlig absurd, Jasir.«
»Wieso? Kehat hat sich sogar angeboten zu operieren. Er brauchte Geld. Und man hat es ihm gegeben. Dafür hat er den Verwundeten gerettet. Auch wenn es unsere ideologischen Freunde sind, das hilft dem Juden gar nichts!« Jasir steckte sich eine Zigarette an. »Es freut mich, Ihnen doch noch eine unbekannte Neuigkeit mitteilen zu können. Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, wann wir die beiden haben.« Er wandte sich zu Professor Yonatan. Sein Gesicht wurde zu einer kalten Maske. Das sind die potenten, fanatischen Mörder, dachte Dr. Murad. So sehen sie aus! Unser Kampf ist hart, uns hilft nur die Gewalt – aber ich lehne den Mord um des Mordens willen ab. Ein Krieg gegen Israel – jederzeit! Eine totale Vernichtung … das wäre die Geburt des großarabischen Reiches! Aber hinterhältiger Mord? Nein! Nicht mit einem Dr. Safar Murad!
»Sie werden reden, Yonatan«, sagte Jasir leise, »wenn wir Ihnen Ihren Kehat zeigen. Sie werden dabeisein, wenn wir ihn nach unserer Art behandeln. Das löst die Zunge eines jeden Vaters.«
»Sie Teufel!« stöhnte Yonatan. »Sie verfluchter Teufel!«
»Dort liegen Papier und Bleistift. Sie brauchen nur die Formeln aufzuschreiben.«
»Als wenn Sie dann
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