Liebe auf dem Pulverfaß
auf die schnell auf sie zukommende Stadt und das Betonband des Flugplatzes. Die Düsenmotoren donnerten laut, das schwere Flugzeug begann zu zittern, irgendwo schrie eine Frauenstimme leise auf … die Motoren bremsten, die Räder wurden ausgefahren, die große Maschine schwebte sicher ein und setzte mit einem kurzen Ruck auf. Dann rollte sie aus und drehte ab zum Hauptgebäude und dem Tower.
Ein hörbares Aufatmen ging durch die Sitzreihen. Es war also doch nur ein kleiner Schaden. Die sonst üblichen Feuerlöschwagen, die einsatzbereit standen, wenn eine Notlandung gemeldet war, fehlten völlig. Nur ein Zugwagen mit der großen Gangway rollte heran und wartete, bis die Maschine stand.
Aus dem Lautsprecher klang wieder die Stimme der Chefstewardeß.
»Meine Damen und Herren. Der Kapitän dankt Ihnen für Ihre Ruhe und vorbildliche Haltung. Die Reparatur wird zwei Stunden in Anspruch nehmen. In dieser Zeit können Sie sich im Flughafenrestaurant aufhalten. Der Weiterflug wird rechtzeitig dreimal durchgegeben …«
»Ich liebe dich –«, sagte Amina plötzlich. Kehat sah sie verwundert an.
»Warum sagst du das jetzt?«
»Ich dachte daran, was in Indien und Kairo werden wird. – Kehat, was wir auch vorfinden werden, vergiß nie: Ich liebe dich! Ich gehöre zu dir.«
»Das weiß ich.« Er küßte die Innenfläche ihrer Hand und verließ dann als letzter die Maschine.
Langsam gingen sie über das Flugfeld zu dem weißen Hauptgebäude. Vier Karabinieri wiesen den Reisenden den Weg. Ein Teil des Restaurants war abgesperrt … ein zollfreier Ort, wo die Gäste der El-Araab-Lines-Maschine warten konnten. Für zwei Stunden ein exterritorialer Boden. Niemandsland. Hinter den spanischen Wänden und Absperrungen begann eine andere Welt.
Schon vor dem Gebäude hörten Kehat und Amina einen Zeitungsverkäufer schreien. Es war ein halbwüchsiger Junge, der seine große Chance wahrnahm: arabische Fluggäste und solche, die nach Ägypten fliegen. Für sie allein brüllte er sich die Lunge aus dem Leib und schwenkte ein Zeitungsblatt.
»Die Sensation des Jahrhunderts!« schrie er hell. »Arabischer Guerillaführer und israelischer Physikprofessor gemeinsam verschwunden. Kommt es zu einem neuen Krieg?«
Kehat blieb stehen, als habe ihn eine Faust vor die Stirn getroffen. Auch Amina atmete tief auf, lehnte sich dann an Kehat und war froh, sich an ihm festhalten zu können.
»Was … was soll das bedeuten?« stammelte Amina. »Mein Vater …«
»Und mein Vater …« Kehat rief den Zeitungsjungen herbei, gab ihm hundert Lire, nickte und winkte ab. Groß, auf der Titelseite, standen die Fotos von Moshe Yonatan und Dr. Safar Murad al Mullah. Darüber in großer, roter Schrift: »Gemeinsam auf der Flucht? Rätsel in Kairo und Tel Aviv …«
In einer Ecke des abgesperrten Lokals, allein an einem kleinen Tisch, saßen sie dann und lasen mühsam die italienische Zeitung. Wenn sie auch nicht alles übersetzen konnten, so verstanden sie doch eins:
Ein paar Tage, nachdem Safar Murad mit seinem Gefangenen Professor Yonatan in der Kairoer Zentrale der Guerillas eingetroffen war und man den jüdischen Physiker ins Verhör genommen hatte, waren beide, der Araber und der Israeli, auf noch unbekannte Weise aus einer geheimen Villa verschwunden. Sofortige Suchaktionen unter Einsatz großer Militäreinheiten waren bis jetzt erfolglos. Es gab keinerlei Spuren oder Hinweise. – So die Zeitungsmeldung.
Auch die ersten Regierungsstimmen lagen bereits vor: Kairo beschuldigte Israel, durch ein Geheimkommando Murad entführt zu haben … Tel Aviv behauptete, das alles sei nur ein Trick, um den späteren Tod Professor Yonatans unbekannten Terroristen in die Schuhe zu schieben.
Die Sensation war perfekt.
Alle Geheimdienste im Nahen Osten liefen auf Hochtouren. In Jerusalem mobilisierte Oberst Halevi alle V-Männer in den arabischen Ländern. In Beirut und Damaskus kamen die Führer der verschiedenen palästinensischen Befreiungsgruppen zusammen und waren sich einig, daß Dr. Murad sich nie freiwillig Dr. Yonatan angeschlossen habe. Safar Murad, der große Führer, war das Opfer – es gab gar keine andere Erklärung … für die Öffentlichkeit.
In den arabischen Hauptstädten rief man wieder nach dem Heiligen Krieg gegen die Juden. Und in Basel sagte der ehrbare Kaufmann Paul Zöggli, der ja eigentlich Jossele Birnstein hieß, zu dem Geheimdienst-Major David Liman:
»Es macht keinen Spaß mehr, Krieg im Dunkeln zu spielen. Wenn sich
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