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Liebe auf den ersten Biss

Liebe auf den ersten Biss

Titel: Liebe auf den ersten Biss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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niemanden gab, der einem irgendwas anhaben konnte. Bis sie sich verwandelt hatte und als Vampir durch die Stadt lief, war ihr nie bewusst gewesen, dass sie als Frau praktisch immer Angst gehabt hatte. Das konnte ein Mann unmöglich verstehen. Deshalb trug sie das Kleid und die Schuhe – nicht um einen Lakaien zu locken, sondern um offen ihre Sexualität herzuzeigen und ein unterentwickeltes Männchen zu dem Irrtum zu verleiten, sie sei ein leichtes Opfer. Allerdings war es erst ein Mal zu einer Konfrontation gekommen, und da hatte sie ein weites Sweatshirt und Jeans getragen. Im Grunde ihres Herzens prügelte sich Jody einfach gern. Aber mindestens ebenso genoss sie die bloße Gewissheit, dass sie dazu in der Lage war. Dies war ihr kleines Geheimnis.
    So ohne Ängste war die Stadt ein einziger Karneval der Sinne. Nichts schien mehr gefährlich, nichts machte ihr Angst. Rot war rot, Gelb bedeutete nicht Achtung, Rauch bedeutete nicht Feuer, und das Getuschel der vier Chinesen, die hinter der Straßenecke bei ihrem Wagen standen, war nur hohles Gelaber von dicken Hosen. Sie konnte hören, wie die Herzen dieser Männer schneller schlugen, als sie sie sahen, roch den Schweiß, den Knoblauch und das Waffenöl, das sie ausdünsteten. Sie kannte den Geruch von Angst und drohender Gewalt, von sexueller Erregung und Kapitulation, wenn es ihr auch schwergefallen wäre, etwas davon zu beschreiben. Es war einfach da. Wie die Farben.
    Jeder kennt das …
    Versuch mal, Blau zu beschreiben.
    Ohne das Wort »blau« zu benutzen.
    Siehst du?
    Um diese Uhrzeit waren nicht viele Leute unterwegs, und die wenigen verteilten sich über die ganze Columbus Avenue: Kneipengänger, Pärchen Arm in Arm, Collegebengel auf dem Weg zu den Stripclubs am Broadway, der Exodus aus Cobb's Comedy Club oben an der Straße, eine wild gackernde Meute, die sich selbst und alles, was sie sah, einfach nur zum Schreien komisch fand. Sie alle pulsierten mit einer rosigen Aura von prallem Leben. Sie zogen eine Spur von Hitze und Parfüm und Zigarettenrauch und Darmwind hinter sich her, der schon das ganze, lange Abendessen hindurch an die Luft drängte. Zeugen.
    Die Chinesen waren alles andere als harmlos, aber sie glaubte nicht, dass die Burschen über sie herfallen würden, was ein leises Bedauern in ihr weckte. Einer der Männer, der Kerl mit der Waffe, rief ihr etwas auf Chinesisch zu – etwas Anzügliches, Kränkendes, wie sie dem Tonfall entnehmen konnte. Noch im Gehen wandte sie sich um und lächelte wie auf einem roten Teppich. Ohne stehen zu bleiben, sagte sie: »Hey, Nanopimmel, fick dich selbst!«
    Es folgte einiges Geschiebe und Geschnaufe, und der Klügste von ihnen, der Angst ausstrahlte, hielt seinen Freund Nanopimmel zurück und rettete ihm damit das Leben. Sie muss ein Cop sein oder irre. Irgendwas stimmt hier nicht. Sie drängten sich um ihren aufgemotzten Honda und dünsteten Frust und Testosteron aus. Jody grinste und bog in eine Seitenstraße ein, abseits vom Verkehr.
    »Die Nacht gehört mir«, sagte sie zu sich selbst. »Mir allein.«
    Jenseits der Columbus Avenue entdeckte sie nur einen alten Mann, der vor ihr die Straße entlangschlurfte. Seine Aura sah aus wie eine durchgebrannte Glühbirne, ein dunkelgrauer Schein, der ihn umgab. Er ging gebückt, mit zäher Entschlossenheit, als wüsste er, dass er – wenn er erst mal stehen bliebe – nie wieder in Gang käme. Nach allem, was sie sah, wäre das vermutlich auch der Fall. Er trug ausgeleierte Breitcordhosen, die beim Gehen raschelten wie Hamster beim Nestbau. Eine milde Brise von der Bay her wehte den beißenden Gestank von kranken Organen, von abgestandenem Tabakqualm, von Verzweiflung und schwerer, fauliger Krankheit herüber, und sie merkte, wie ihre Euphorie verflog.
    Sie passte sich der neuen Herausforderung an, die diese Nacht für sie bereithielt, fügte sich problemlos in ihre neue Rolle.
    Sie achtete darauf, dass sie nicht zu leise war, damit er sie hören konnte, und als sie bei ihm war, blieb er stehen, drehte sich mit winzig kleinen Schritten zu ihr um, tuckerte vor sich hin wie ein Motor im Standgas.
    »Hi«, sagte sie.
    Er lächelte. »Mein Gott, bist du ein hübsches Mädchen. Würdest du mich begleiten?«
    »Gern.«
    Sie liefen ein paar Schritte, dann sagte er: »Ich werde sterben.«
    »Ja. Das habe ich mir schon gedacht«, sagte Jody.
    »Ich laufe einfach nur herum. Laufe und denke. Vor allem laufe ich.«
    »Schöner Abend dafür.«
    »Etwas frisch, aber davon merke

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