Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
bloß dummes Gerede. Die verdammte Gerüchteküche. Reginald hat doch niemanden ruiniert. Er hat sich immer an erfahrene Frauen gehalten. Die paar ›Unschuldslämmer‹, die er angeblich rumgekriegt hat, waren dreiste Lügnerinnen, die ihn in die Ehefalle locken wollten, indem sie sich mit ihm allein in einem Zimmer erwischen ließen. Die Mädels dachten wohl, der drohende Skandal würde ihn zu einer Heirat bewegen. Falsch gedacht, Reginald vermasselt sich doch nicht sein ganzes Leben wegen irgendeinem durchtriebenen kleinen Luder.«
»Da muss ich Adrian allerdings zustimmen«, sagte Crambray unvermittelt. »Reginald Greville – ein Mörder? Nein, das halte ich für sehr weit hergeholt. Warum hat er nicht wenigstens versucht, die beiden vorher auseinanderzubringen? Er hätte Adrian doch gegen Clarissa aufbringen können und umgekehrt, nicht wahr? Mir scheint …« Er stockte, als er sah, wie sich Adrians Miene veränderte, und fragte in scharfem Ton: »Hat er etwa versucht, euch gegeneinander aufzubringen?«
»Ja. Nein. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.« Adrian seufzte resigniert. »Also gut, Reg hat sich mächtig ins Zeug gelegt, um mich vor ihr zu warnen, damals in jener ersten Ballnacht. Er erzählte mir, sie sei furchtbar ungeschickt, blind wie eine Fledermaus und dass sie ihm den Johnny verbrüht hat. ›Lass bloß die Finger von dem Mädchen, sonst bist du deines Lebens nicht mehr sicher‹, so ähnlich drückte er sich aus. Danach half er mir wiederum, ein Wiedersehen mit Clarissa zu organisieren. Als affektierter Dandy ausstaffiert, war er derart überzeugend, dass Lady Crambray es billigend hinnahm, dass Clarissa eine Kutschpartie mit ihm machen durfte. Auf diese Weise konnte ich sie wiedersehen und ihr etwas vorlesen. Er versprach mir auch, dafür zu sorgen, dass sie mich an dem besagten Springbrunnen trifft …«
In der kurzen Gesprächspause, die entstand, erhob sich Hadley. »Gut, ich kümmere mich weiter um den Fall, Mylord. Aber von hier aus, da der Giftanschlag hier passierte. London können wir, meine ich, abhaken. Trotzdem«, setzte er ernst hinzu, »ich bin nach wie vor überzeugt, dass Greville unser Täter ist. Er war in London. Jetzt ist er hier. Und er wusste das mit Ihnen beiden. Demnach kann er die Notiz geschrieben und mit Ihren Initialen versehen haben. Dann lauerte er Lady Clarissa auf, als sie zu Ihrem gemeinsamen Rendezvous eilte.«
»Was ist mit Prudhomme?«, warf Adrian ein. »Er wusste auch von Clarissa und mir.«
Hadley schüttelte den Kopf. »Prudhomme vergnügt sich in London bei seinen Affären mit verheirateten Frauen. Er kann das fragliche Tortenstück nicht vergiftet haben. Ich werde mich auf Leute konzentrieren müssen, die in London waren und inzwischen hier sind. Das heißt, natürlich nur, wenn Sie wünschen, dass ich meine Ermittlungen fortsetze.«
»Ja, selbstverständlich«, sagte Adrian gefasst. »Ich habe Kibble gebeten, eins der Gästezimmer für Sie herrichten zu lassen. Er weiß sicher, welches es ist.«
Hadley nickte kurz und verschwand. Adrian lehnte sich in seinem Sessel zurück, seine Miene düster und sorgenvoll.
Für eine Weile saßen er und Crambray schweigend da, beide in ihre jeweiligen Gedanken versunken; dann sagte Clarissas Vater: »In einem Punkt hat er auf jeden Fall recht.«
Erleichtert über die Ablenkung spähte Adrian zu seinem Schwiegervater hinüber. »Inwiefern?«
»Bei dem Täter muss es sich um jemanden handeln, der in London war und der jetzt hier ist.«
Adrian nickte.
»Was hältst du davon, wenn wir eine Liste der infrage kommenden Personen anlegen?«, schlug Clarissas Vater vor.
Adrian seufzte. »Reg gehört zweifellos zu diesem Personenkreis.«
»Und Lydia auch«, gab Crambray zu bedenken. »Auf sie trifft ebenfalls beides zu, und sie war – in der Tat – diejenige, die Clarissas Brille einkassierte und sie dadurch noch mehr gefährdet hat.«
»Du weißt davon?«
Clarissas Vater nickte. »Lydia behauptete, Clarissa selbst hätte ihre Brille zerbrochen, und meine Tochter hat das unwidersprochen hingenommen, aber ich weiß schon lange, dass sie das Mädchen nicht ausstehen kann. Wenn ich dabei bin, ist sie natürlich lieb und nett zu Clarissa, aber in London …« Er zuckte mit den Schultern. »Ich fürchte, da war sie bestimmt nicht immer so zuvorkommend. Deswegen beschloss ich auch, nach London zu reisen, und dann kam die Nachricht von eurer Hochzeit. Da ich alles Geschäftliche bereits arrangiert hatte, konnte ich
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