Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
stichhaltigste Motiv.«
»Gehen Sie mir weg mit Ihren Motiven; er kann es nicht gewesen sein. Erstens passierte das meiste, als ich Clarissa noch gar nicht kannte – folglich wäre das Erbschaftsmotiv gar nicht zum Tragen gekommen. Zweitens ist mein Cousin Reginald ein sehr guter Freund von mir. Er hat mir sogar dabei geholfen, Clarissa zu umwerben. Im Übrigen dürfte Geld für ihn als Motiv keine Rolle spielen; er ist mindestens so wohlhabend wie ich.«
Lord Crambray nickte nach jedem Argument, das Adrian anführte, bekräftigend. Hadley hingegen schüttelte bloß den Kopf. »Was, wenn die ersten beiden Vorfälle tatsächlich Unfälle waren? Bei der Sache mit der Kutsche und dem Treppensturz kann es sich durchaus so verhalten haben. Wir haben nichts, was das Gegenteil beweisen würde. Überlegen Sie mal, vielleicht passte ihm diese Unfallserie sogar hervorragend ins Konzept.«
»Wieso war ich dann nicht sein Opfer?«
»Wenn er Sie zuerst umbringt, erbt Clarissa. Bringt er zuerst Clarissa um und dann Sie, erbt er alles«, folgerte Hadley logisch.
Adrian schüttelte den Kopf und betonte: »Er ist wohlhabend und braucht mein Geld nicht.«
»Ach ja, das Neueste wissen Sie wohl noch gar nicht. Lord Greville ist offenbar nicht so wohlhabend, wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt. In der Tat steht er kurz vor dem Bankrott. Die Gläubiger drohen ihm bereits mit Zwangsmaßnahmen, falls er nicht bald seine Kredite bedient. Würden Sie und Ihre Gattin unerwartet sterben, wären seine finanziellen Probleme auf einen Schlag gelöst.«
Adrian fehlten die Worte. Sein Cousin? Ein Mörder?
»Außerdem bot sich ihm mehrfach die Gelegenheit, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Als das mit dem Brand und dem Springbrunnen passierte, war er in London, und er war bei den Crambrays.«
Adrian entspannte sich sichtlich. »Aber er ist nicht hier, folglich kann er Clarissa gar nicht vergiftet haben. Greville kommt als Täter nicht infrage.«
»Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber er ist hier«, konterte Hadley.
Adrian erstarrte. »Was soll das heißen?«
»Nach Ihrer Rückkehr aufs Land verließ Greville London ebenfalls. Einen Tag nach Ihrer Ankunft traf er auf dem Landgut der Wyndhams ein. Die Wyndhams leben nur eine halbe Stunde Ritt von hier entfernt. Seitdem geht er tagsüber jagen – und zuweilen auch nachts«, informierte ihn Hadley über seine Ermittlungen.
Adrian ließ sich stöhnend vor das Polster des Sessels zurücksinken, sein Gesicht mit einem Mal aschfahl. Das waren verdammt schlechte Nachrichten. Hadley nickte mitfühlend.
»Ich fürchte, er ist Ihr Täter, Mylord. Das schwöre ich bei meinem Leben.«
»Du hast also in deiner Arglosigkeit mit Clarissas Leben gespielt«, bezichtigte Crambray ihn grimmig.
Adrian schüttelte fassungslos den Kopf, bemüht, Hadleys Anschuldigung zu verarbeiten. Er und Reginald waren wie Brüder gewesen, und auch wenn sie sich in den letzten zehn Jahren kaum gesehen hatten, hatte das ihrer Freundschaft doch keinen Abbruch getan, oder? Reg hatte ihn sogar bei seinem Werben um Clarissa unterstützt. Er, Adrian, hatte sich voll auf seinen Cousin verlassen können. Reginald war es bestimmt nicht gewesen. Nein, es konnte nicht sein.
»Ich weiß, es klingt unfassbar, Mylord«, räumte der Privatermittler ein, seine Stimme verständnisvoll. »Sie und Ihr Cousin standen sich sehr nahe. Aber das war vor über zehn Jahren. Zwölf Jahre trifft es wohl eher. Sie sind mit zwanzig in den Krieg gezogen und zwei Jahre später verwundet zurückgekehrt. Nach der einen Ballsaison, die Sie damals in London verbrachten, waren Sie die meiste Zeit hier auf Ihrem Landsitz. Zwölf Jahre sind eine lange Zeit. Menschen ändern sich. Alles ändert sich – Gefühle, Befindlichkeiten, Prioritäten.« Er hielt kurz inne und ließ das Gesagte auf Adrian wirken. »Ich denke, Ihr Cousin hat sich sehr verändert.«
»Ich kann es schlicht nicht glauben«, versetzte Adrian. »Nein, ich kenne Reginald. Er hat damit nichts zu tun. Er würde Clarissa oder mir niemals schaden wollen. Wir mögen uns verändert haben, trotzdem sind wir gute Freunde. Das hab ich gemerkt, als ich nach London zurückkehrte. Nein, zu so etwas wäre er niemals fähig.«
Hadley blickte zweifelnd. »Ihr Cousin ist ein Lebemann, Mylord. Er hat den guten Ruf junger, unschuldiger Mädchen ruiniert – und das waren nicht wenige. Seine Gefühle gingen nie sehr tief, wenn ich das mal so sagen darf.«
Adrian winkte ärgerlich ab. »Alles
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