Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
Clarissa ihr an. »Ich bin wild entschlossen, und du?«
Lydia lächelte unsicher. »Ist das dein Ernst? Obwohl ich dich nach Strich und Faden schikaniert habe? Du kannst mir das alles vergeben und vergessen?«
Clarissa winkte ab. »So schlimm warst du gar nicht, Lydia. Wenn du schlechte Laune hattest, hab ich sowieso meistens einen Riesenbogen um dich gemacht. Richtig unangenehm wurde es erst in London, da warst du wirklich biestig. Das hat aber immerhin dazu geführt«, setzte sie schnell hinzu, als ihre Stiefmutter tief beschämt dreinblickte, »dass ich meinen Mann kennengelernt habe, demnach kann ich mich kaum beschweren, oder? Adrian macht mich sehr glücklich.«
Ein feines, erleichtertes Lächeln umspielte Lydias Lippen. »Ich bin jetzt froh, dass du glücklich bist, Clarissa. Du strahlst förmlich vor Glück. Ich sehe auch, dass er zuvorkommend und liebenswürdig zu dir ist, dass er sich gut um dich kümmert. So langsam begreife ich sogar, dass du darüber die hässliche Narbe vergisst.«
Clarissa blinzelte verdutzt. Sie verstand nicht, weshalb sich alle auf Adrians Kriegsverwundung fixierten. Die Narbe war ein Teil von ihm wie seine Ohren oder seine Finger, das machte sein anziehendes Gesicht bloß noch interessanter. Lydia fand die Narbe aber offenbar schlimm und abstoßend. Clarissa schüttelte den Kopf und wechselte das Thema. »Ich wollte nachher mal kurz ins Dorf. Hast du Lust, mich zu begleiten?«
Lydias Augen weiteten sich, als hätte Clarissa ihr eine köstliche Praline angeboten. »Möchtest du wirklich, dass ich mitkomme?«
»Klar.« Clarissa lachte. »Wenn wir Freundinnen werden wollen, müssen wir auch mal was zusammen unternehmen, findest du nicht?«
»Doch, unbedingt.« Über Lydias Gesicht huschte ein Strahlen. »Wann wollen wir los?«
»Gleich jetzt, wenn du magst«, schlug Clarissa vor. »Ich hab fertig gefrühstückt.«
»Gern!« Lydia sprang von ihrem Stuhl auf, ihre Miene jetzt hellauf begeistert. »Ich hol eben noch meinen Geldbeutel, für den Fall, dass wir im Dorf etwas Schönes sehen.« Sie lief zur Tür, wo sie kurz herumschwenkte. »Nehmen wir die Kutsche, oder gehen wir zu Fuß?«
»Ich dachte, wir machen einen Spaziergang.« Clarissa stand ebenfalls auf und folgte ihrer Stiefmutter zur Tür. »Es ist nicht weit bis ins Dorf. Aber wenn du lieber die Kutsche nehmen willst …«
»Nein, nein. Das mit dem Spaziergang ist eine fabelhafte Idee.«
Angeregt schwatzend liefen sie in die Halle. Clarissa lächelte. Lydia war wie ausgewechselt. Sie hatte fast ein schlechtes Gewissen, dass sie nicht eher auf ihre Stiefmutter zugegangen war. Vermutlich wären sie dann längst weltallerbeste Freundinnen.
»Clarissa.«
Au weia, Adrian! Clarissa blieb abrupt stehen, riss sich die Brille von der Nase und ließ sie in den Falten ihres Rocks verschwinden. Sie fing Lydias verdutzten Blick auf und ging achtlos darüber hinweg. »Ja, mein Gemahl?«, versuchte sie zu scherzen.
»Wo wollt ihr denn hin?«, fragte er. Seine Lider wurden schmal, und er bedachte seine Schwiegermutter mit einem vernichtenden Blick.
»Ich hol nur schnell meine Geldbörse«, murmelte Lydia, die sich hastig verzog. »Bin gleich wieder da.«
Clarissa blickte dem verwirbelten Schatten nach, der auf der Treppe verschwand, dann drehte sie sich zu Adrian um. »Ich möchte einen Spaziergang ins Dorf machen, um dort ein bisschen zu bummeln.«
»Aber doch nicht mit Lydia zusammen, oder?«, fragte er scharf.
Clarissa seufzte milde resigniert. »Ich weiß, dass du sie verdächtigst, hinter dem vergifteten Kuchen zu stecken, Adrian, aber ich hatte heute Morgen ein klärendes Gespräch mit ihr und bin mir ganz sicher, dass sie es nicht war. Lydia mag unglücklich und unzufrieden sein und deswegen anderen das Leben schwermachen, aber sie ist ganz bestimmt keine Mörderin.«
»Clarissa«, begann Adrian ärgerlich.
Sie schnitt ihm das Wort ab. »Du musst mir einfach vertrauen. Lydia ist nicht die Täterin. Dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen.«
»Das tust du verdammt oft«, schoss Adrian wütend zurück. »Ich will nicht, dass du allein mit ihr ins Dorf gehst. Ich verbiete es dir!«
Clarissa blinzelte angestrengt, um sein panikverzerrtes Gesicht deutlicher sehen zu können, und lächelte dann. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn zart auf die Lippen. »Du bist so süß, wenn du böse wirst, Mylord. Ich hätte große Lust, dich ins Bett zu locken und zu vernaschen.«
Adrians Ärger verrauchte ein
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