Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
Bestürzung und Fassungslosigkeit sah Adrian zu, wie die Tür hinter seiner Frau ins Schloss fiel. Obwohl sie ihm vor der Hochzeit hoch und heilig versprochen hatte, ihm stets zu gehorchen, schoss sie seine Autorität leichtfertig in den Wind … und das ausgerechnet in dieser kritischen Situation. Es war unglaublich! Leise fluchend schnellte er herum und brüllte durch die große Halle: »Frederick!«
»Ja, Mylord?« Der Junge, der sich in der Nähe seiner Herrin aufgehalten hatte, löste sich aus dem Schatten einer der vielen Türen.
»Los, nimm drei Diener mit und folge Mylady und ihrer Stiefmutter. Bleibt dicht dahinter«, befahl er. »Lasst sie keine Sekunde aus den Augen. Und wenn diese unsägliche Frau irgendwas macht, was euch nicht geheuer vorkommt, dann habt ihr meine Erlaubnis, sie aufzuhalten, ganz egal wie.«
Frederick nickte und schluckte, dabei hüpfte sein Adamsapfel auf und ab. »Ja, Mylord.«
Adrian sah dem Jungen nach, der eilig seiner Anweisung Folge leistete. Der junge Graf stand allein in der Halle, ballte die Fäuste und entspannte sie wieder. Am liebsten wäre er persönlich losgezogen, aber er hatte einen Termin mit Lord Crambray und Hadley, der mit ihnen das weitere Vorgehen besprechen wollte. Ob er dem Diener trotzdem folgen sollte? Was nützte ihnen der beste Aktionsplan, wenn Lydia ihre Stieftochter in der Zwischenzeit ins Jenseits beförderte?
Kurz entschlossen setzte er sich in Bewegung und wäre auf dem Weg zum Portal fast mit Kibble zusammengeprallt, der eben aus dem Salon trat.
»Es ist nicht Lady Crambray«, erklärte sein Butler förmlich. »Die Dame ist unschuldig.«
Adrian blieb stehen, das Herz klopfte ihm bis zum Hals. »Sie klingen da ja sehr sicher.«
»Ich bin mir auch sehr sicher«, antwortete Kibble seelenruhig. »Ich gebe zu, das unterkühlte Verhalten von Lady Clarissa und Lady Lydia nährte meinen Verdacht, die Stiefmutter könnte die Täterin sein. Deshalb hab ich zwei Diener auf sie angesetzt und die Dame heimlich beschatten lassen – seit ihrer Ankunft, um korrekt zu sein. Sie hat die vergiftete Torte nicht in Clarissas Zimmer gestellt.«
Halb erleichtert, halb erschüttert lehnte Adrian sich haltsuchend an die Wand, sämtliche Kräfte schienen seinen Körper verlassen zu haben. Er zweifelte keine Sekunde lang daran, dass Kibble recht hatte. Es erstaunte ihn auch nicht, dass der Butler eigenmächtig gehandelt hatte, denn er war der zupackende Typ, der nichts dem Zufall überließ, eine Eigenschaft, die er aus seiner Zeit bei der Royal Army hinübergerettet hatte.
»Ich bin sehr froh, dass Lady Crambray nichts damit zu tun hat«, griff Kibble den Gesprächsfaden wieder auf. »Lady Clarissa und ihre Stiefmutter haben heute Morgen ein gutes klärendes Gespräch geführt. Ich glaube, dadurch sind sich die beiden Damen nähergekommen. Vielleicht hilft es, und Lady Crambray wird künftig ein bisschen umgänglicher. Sie ist sehr unglücklich.«
»Sie haben gelauscht«, meinte Adrian milde vorwurfsvoll.
Kibble zog die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken. »Sie haben uns angewiesen, Lady Clarissa zu bewachen. Ich habe lediglich Ihre Instruktionen befolgt.«
Adrian grinste schwach. Kibble hatte seinen Beruf verfehlt. Er hätte sich fabelhaft als Militärspion in der Armee Seiner Majestät geeignet. Der Mann war über alles informiert, was in diesem Haus vorging – zumindest über fast alles, sinnierte er grimmig. Es wäre zu schön gewesen, wenn sein Butler auch gewusst hätte, wer den vergifteten Kuchen tatsächlich in Clarissas Zimmer gestellt hatte.
Nach einem knappen Nicken machte Adrian kehrt und verschwand in seinem Arbeitszimmer. Ihm war sonnenklar, dass Kibble ihm folgen würde.
»Laut meiner Kenntnis wollen Sie sich mit Mister Hadley und Lord Crambray zu einer Strategiesitzung zusammensetzen. Da wäre ich gern dabei – sofern Sie nichts dagegen haben«, erklärte Kibble, als Adrian hinter seinem Schreibtisch Platz nahm.
»Nein, das kommt mir sehr gelegen«, antwortete seine Lordschaft. Er drehte sich ins Profil und warf nervös einen Blick aus dem Fenster. »Wir treffen uns hier, sobald Mister Hadley aus dem Dorf zurück ist.«
»Aus dem Dorf?« Kibble hob fragend eine Braue.
»Er erhielt heute Morgen eine Nachricht und erzählte mir, dass er kurz ins Dorf müsse. Ich schätze, er ist bald zurück.«
»Gut zu wissen.« Kibble marschierte zur Tür, wo er stehen blieb und sich noch einmal an den Hausherrn wandte: »Nach dem, wie Lydia mit
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