Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
kaufen dir eine neue Brille! Er wollte die Neuigkeit schleunigst anbringen, damit er nicht wieder den Schwanz einzog und es sich noch anders überlegte.
Auf der dritten Stufe angelangt, drangen von draußen gedämpfter Hufschlag und das Knirschen von Kies zu ihm. Er schwenkte herum, lief wieder hinunter und riss die Haustür auf. Die zweite Kutsche war eben eingetroffen. Der Verschlag wurde aufgerissen, Keighley sprang heraus und half Joan beim Aussteigen. Beide wirkten erschöpft von der langen Reise.
»Ich nehme an, das ist Lady Clarissas Zofe?«, äußerte sich Kibble hochtrabend. Er war neben seine Lordschaft getreten und beäugte das Paar neugierig.
Adrian nickte. »Joan und Keighley sind sicher müde von der Reise, Kibble. Bitte zeigen Sie den beiden ihre Zimmer und lassen Sie ihnen einen kleinen Imbiss vorbereiten. Dann sollen sie sich ausruhen. Es reicht, wenn Joan morgen ihren Dienst aufnimmt. Das gilt auch für Keighley.«
»Sehr wohl, Mylord«, murmelte Kibble mehr zu sich selbst, laut sagte er: »Lucy hat Lady Clarissa beim Auskleiden geholfen und ihr ein Bad eingelassen. Kann ich ihr ausrichten, dass sie Mylady nach dem Bad für das Dinner ankleiden soll?«
»Nein, ich helfe Mylady«, sagte Adrian und schwenkte zur Treppe. »Lassen Sie das Abendessen im Zimmer meiner Frau servieren. Wir werden dort speisen und früh schlafen gehen.«
***
Ihre Augen hinter den Brillengläsern vor Erstaunen geweitet, blätterte Clarissa fasziniert die Seite ihres Buches um, gespannt, wie die Geschichte von der untreuen Ehefrau weiterging und welche Bestrafungen ihr Gemahl für dieses Luder bereithielt. Sie hatte gedacht, das Buch sei vielleicht hilfreich für sie, als sie sich heimlich in der Bibliothek der Mowbrays umgeschaut hatte. Leider war ihr für die Suche nicht viel Zeit geblieben.
Vorher hatte sie Lucy auf dem Weg in ihr neues Zimmer gelöchert, ob es eine Bibliothek gab und wo genau sie war. Nachdem das Dienstmädchen ihr das Haus gezeigt hatte und ihr ein Bad einließ, hatte Clarissa ihre Brille aufgesetzt und sich in das Lesezimmer gestohlen. Aus Furcht, entdeckt zu werden, war sie schnell wieder nach oben gelaufen und hatte das stibitzte Buch unter ihrem Kopfkissen versteckt.
Lucy hatte nichts gemerkt. Sie war ihr beim Entkleiden behilflich und hatte ihre Haare ausgebürstet. Als das Bad fertig war, hatte Clarissa das Mädchen weggeschickt, mit der Begründung, dass sie lieber allein baden wolle. Kaum war das Dienstmädchen weg, hatte Clarissa ihre Brille wieder aufgesetzt und das Buch mit in die Wanne genommen.
Sie blätterte die nächste Seite um und las weiter, verwundert, dass die Geschichte von einer gewissen Maria de Zayas geschrieben worden war. Von einer Frau! Das war immer noch eine Seltenheit, zumal das Buch schon ein paar Jahre alt war. Wie sich herausstellte, gab es wenig Aufschlüsse, wie Clarissa ihren Mann verwöhnen könnte, trotzdem war es höchst interessant, und Clarissa verschlang die Lektüre mit großem Genuss. Es war das erste Mal seit Wochen, dass sie wieder selber ein Buch lesen konnte, und sie saugte den Inhalt in sich auf wie eine Blume den Regen nach einer langen Dürre.
Gerade als sie die nächste Seite umschlug, hörte sie, wie die Türklinke heruntergedrückt wurde. Alarmiert riss sie sich die Brille von der Nase und presste Buch und Brille an ihren Busen, dabei blinzelte sie über ihre Schulter zur Tür. Sie öffnete die Lippen, um Lucy zu erklären, dass sie nicht gestört werden wollte, als sie undeutlich dunkle Haare und eine stattliche Statur ausmachen konnte. Oh Schreck, es war Adrian!
Panik breitete sich in ihrem Brustkorb aus. Ohne nachzudenken ließ sie die Hand mit dem Buch und der Brille ins Badewasser sinken. Sie versteckte die verräterischen Gegenstände unter einem Bein und zermarterte sich das Hirn, was sie jetzt machen sollte.
»Wie ist dein Bad?«, fragte Adrian, während er näher kam, seine Stimme zärtlich.
Clarissa klappte den Mund auf und unverrichteter Dinge wieder zu. Mist, ihr fiel keine gescheite Antwort ein, wie sie ihn verscheuchen könnte, und er kam immer näher. Zweifellos wollte er ihr beim Waschen behilflich sein, dann würde er sie küssen und streicheln und zu ihr in die Wanne steigen oder sie aus der Wanne heben. Und dabei das Buch entdecken.
Das musste sie irgendwie verhindern. Folglich tat sie das Erstbeste, das ihr einfiel. Adrian war auf halbem Weg durch das Bad, als sie unvermittelt aus dem Wasser aufstand.
Wie sie gehofft
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