Liebe auf den zweiten Blick
plötzlich das Gefühl, um ihn herum würde sich alles drehen, und er hielt sich am Tisch fest, damit die Welt wieder in Ordnung kam. Es wäre schrecklich gewesen, wenn er in Ohnmacht gefallen wäre, ohne je den Namen dieser Frau erfahren zu haben. Sie erregte ihn so sehr, dass er unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her rutschen musste. So stark und so schnell hatte er nicht mehr auf eine Frau reagiert, seit an seinem sechzehnten Geburtstag Kissy Beth Syler vor seinen Augen nackt ins Wasser gesprungen war.
Seitdem hatte er eine Menge für kleine Seen übrig, denn das war eine denkwürdige Art für einen Jungen gewesen, seine Unschuld zu verlieren.
„Was für ein Klasseweib”, murmelte Seth.
Tyler fand, dass dieses Wort es nicht mal annähernd traf.
Dann grinste Seth. „Großartig, sie kommt hierher. Wir sitzen an einem ihrer Tische.”
„Was hätten Sie denn gern?”
Amelia stand mit Block und Stift da und starrte auf einen Punkt links von den Männern.
Sie sah den Gästen nie direkt in die Augen. Das war ihre Art, einigermaßen anonym zu bleiben. Aber sie hätte sich gar keine Mühe zu geben brauchen. Als Amber war sie von ihrem Image als brave Bibliothekarin so weit entfernt wie ein Diamant von Kohlenstoff.
Der Mann, der mit dem Rücken zur Wand saß, murmelte etwas Unverständliches und
zwang Amelia auf diese Weise, ihn doch anzusehen. Sofort begann ihr Herz wild zu
klopfen.
Ihre Blicke trafen sich. Tyler sah in Augen, die so grün waren, dass sie ihn an tiefe Bergseen erinnerten. Er blinzelte. Vielleicht waren sie aber auch blau. Er hätte schwören können, den Himmel in ihnen sehen zu können. Nun bemerkte er, dass die Frau unter ihrem Make-up blass geworden war. Sie öffnete den Mund ein bisschen, so dass er ihre weißen Zähne erkennen konnte, und es sah aus, als wollte sie sich auf die Unterlippe beißen.
Amelia stöhnte innerlich. Lieber Himmel, dachte sie. Ich wusste, dass das irgendwann geschehen würde. Was soll ich jetzt bloß tun? Wenn er das in Tulip herumerzählt, bin ich ruiniert!
Da war er, der Mann ihrer Träume, und sie musste gegen den Drang ankämpfen
davonzulaufen. In diesem Moment begann die Band mit einer Jazznummer, die es ihr fast unmöglich machte, etwas zu verstehen. Sie beugte sich vor.
„Entschuldigen Sie, Sir, aber ich habe Ihre Bestellung nicht verstanden. Was hätten Sie gern?”
Beide Männer bekamen einen überdurchschnittlich guten Einblick in den Ausschnitt ihres trägerlosen Oberteils.
Tyler schien es, als schwankte der Raum. Er spürte das starke
Bedürfnis, diese Frau auf den Tisch zu ziehen, ihr das rote Trikot abzusteifen. Und zu seinem Entsetzen sprach er das auch aus: “Was ich möchte? Sie!”
Lieber Himmel, hatte er das wirklich gesagt? „Äh, ich meinte … Entschuldigen Sie. Seth, bestellen Sie etwas. Ich muss … Wo ist …”
Amelia war erleichtert. Er hatte sie nicht erkannt. „Die erste Tür links im Flur.”
Tyler spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, obwohl es eine andere Körperstelle gab, die die Abkühlung wesentlich nötiger gehabt hätte. Dann trocknete er sich mit Papiertüchern ab.
Was zur Hölle ist da gerade mit mir passiert? fragte er sich.
Sein Spiegelbild konnte ihm auch keine Antwort geben. Er warf die Papiertücher in den Korb und ging langsam zu seinem Tisch zurück.
Seth schob ihm ein großes Glas Cola hin. „Geht es Ihnen gut? Ich dachte nicht, dass Sie was Alkoholisches gebrauchen könnten. Sie haben ausgesehen, als würde Ihnen gleich
schlecht werden.”
Tyler wollte nicht zugeben, wie sehr ihn diese Frau erschüttert hatte. „Ich bin okay. Ich weiß gar nicht, was …”
Aus dem Augenwinkel bemerkte er schwarze Spitze. Parfüm stieg ihm in die Nase.
Amelia stellte eine kleine Schale Erdnüsse auf den Tisch.
Als ihr Arm in Tylers Sichtfeld kam, zuckte er zusammen, als hätte jemand auf ihn
geschossen.
Amelia beugte sich noch einmal vor. „Es tut mir Leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken”, sagte sie laut, um die Musik zu übertönen.
Tyler starrte sie an, verlor sich wieder in diesen blaugrünen Augen und der Wolke aus kastanienbraunen Locken. Wenn sie sich jetzt wieder auf die Unterlippe beißen sollte, würde er in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.
„Das ist schon in Ordnung, Miss …” Seth Hastings lächelte sie an und wartete.
Sie tat ihm den Gefallen.
„Mein Name ist Amber. Möchten Sie sonst noch etwas?”
Tyler griff nach ihrem Arm. „Ja.”
Er umschloss ihr Handgelenk fester
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