Liebe auf den zweiten Klick
seine Unterlagen zusammen und griff nach seiner Jacke. »Bis morgen, Senator!«
Hm. Programmieren. Nach Fehlern im System suchen. Das waren zwar nicht gerade Lincolns Lieblingsbeschäftigungen, aber es war besser, als zu komprimieren und zu archivieren. Und es war ein Problem, das es zu lösen galt. Und es wäre ja nur für ein paar Monate, vielleicht sogar nicht mal.
Er warf einen Blick in den WebShark-Ordner. Nur zwei markierte E -Mails. Was bedeutete, dass er zwischen dreiÃig Sekunden und fünf Minuten brauchte, um heute seine tatsächliche Arbeit zu erledigen. Er hatte bereits beschlossen, sich das für nach dem Essen aufzuheben.
Denn heute Abend hatte er einen Plan.
Na ja ⦠er hatte zumindest geplant, einen Plan zu erarbeiten. Er war heute früh aufgestanden, gegen Mittag, und in die Bibliothek gegangen, um nach dem Buch zu suchen, das Eve erwähnt hatte. Das steckte jetzt in seinem Rucksack, zusammen mit einer Kopie der heutigen Stellenanzeigen, einem gelben Textmarker, einem zehn Jahre alten Ringbuch, einer Ausgabe von Entertainment Weekly und einem Putensandwich, das so gut duftete, dass er sich nur mit Mühe und Not überhaupt auf etwas anderes konzentrieren konnte.
Um sieben Uhr war er mit der Zeitschrift und dem Sandwich durch.
Er überlegte, ob er sich als Nächstes die Anzeigen oder Durchstarten zum Traumjob vornehmen sollte â aber stattdessen griff er nach dem Ringbuch. Er legte es auf den Tisch und blätterte es vorsichtig durch, von seiner Mitschrift über den Unabhängigkeitskrieg bis hin zum Entwurf für einen Essay über Schöne neue Welt .
Lincoln wusste genau, was er suchte, irgendwo in der Mitte ⦠und da war sie auch schon ⦠Sams Handschrift. Lila Tinte. Viel zu viele GroÃbuchstaben.
DINGE , BEI DENEN LINCOLN GUT IST
Es war eine Liste. Sie hatte sie in seinem Abschlussjahr für ihn erstellt, als er versuchte, ein Hauptfach für die Uni zu finden. Lincoln wusste schon, auf welches College er gehen wollte â auf das, für das Sam sich entschied.
Seine Mutter hatte gewollt, dass er in der Nähe blieb. An der staatlichen Uni, die nur fünfundvierzig Minuten entfernt war, hatte man ihm ein Stipendium angeboten. Aber da würde Sam sich nie einschreiben. Sam wollte an eine Uni, die groà und wichtig und GANZ WEIT WEG war. Und Lincoln wollte bei ihr bleiben. Jedes Mal, wenn seine Mutter das Stipendium zur Sprache brachte, und wie nett an der staatlichen Uni der Campus war und wie er seine Wäsche mit nach Hause bringen konnte, dann stellte Lincoln sich vor, wie Sam ihre Sachen in den Bulli ihres Vaters packte und sich wie der letzte Sonnenuntergang in Richtung Westen davonmachte. Er konnte seine Wäsche auch selbst waschen.
Also überlieà er Sam die Suche nach dem College. Sie schickte Anfragen nach Broschüren los und sah sich am Wochenende den Campus verschiedener Unis an. »Ich will ans Meer, Lincoln, ans Meer! Ich will die Gezeiten spüren. Ich will wie eines von diesen Beach-Girls aussehen, mit zerzaustem Haar und roten Wangen. Und ich will auch Berge, zumindest einen Berg, wenn das nicht zu viel verlangt ist. Und Bäume. Nicht unbedingt einen ganzen Wald, ein kleines Hölzchen tut es auch. Landschaft. Ich will Landschaft!« Ordentlich was zwischen den Zähnen, dachte Lincoln.
Sam suchte sich ein College in Kalifornien aus â nicht zu weit weg vom Meer, nicht zu weit weg von den Bergen â, mit einem Campus voller Bäume und einem soliden Theaterprogramm. Lincoln wurde auch angenommen, und man bot ihm ein halbes Dutzend Stipendien an.
Im Prinzip, so hatte er seiner Mutter erklärt, kam er damit etwa auf denselben Betrag wie bei der staatlichen Einrichtung. »Ja«, antwortete sie, »aber dafür sind die Studiengebühren viermal so hoch.«
»Du musst sie ja nicht bezahlen«, gab er zurück.
»Jetzt werd mal nicht frech.«
»Ich wollte nicht frech werden.« Wollte er wirklich nicht.
Er wusste, dass es ihr zu schaffen machte, ihm das College nicht zahlen zu können. Na ja, zumindest manchmal. Das College war seine Sache. Sie erwartete von ihm, dass er es sich selbst finanzierte, genauso wie sie von ihm erwartet hatte, sich die Nintendo-Konsole selbst zu kaufen. »Du kannst es gerne haben, wenn du bereit bist, es selbst zu bezahlen. Dann musst du eben sparen.«
»Ich hab doch gar kein Geld«, hatte er damals, in
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