Liebe auf den zweiten Klick
Lincoln, der immer noch das Gefühl hatte, es wäre unhöflich, sich so zu benehmen, als wäre das irgendetwas anderes als eine ganz normale Unterhaltung.
»Wahrscheinlich hast du recht.« Doris nickte traurig.
»Wann ist sie denn gestorben?«, erkundigte er sich.
»Das war, als Paul noch lebte, mal sehen, also vor sechzehn Jahren. Danach hatten wir noch zwei andere Bassets, aber die waren nicht wie Jolene ⦠Schätzchen, wenn du noch Wechselgeld brauchst, jetzt hab ich die Maschine gerade offen.«
»Nein, danke«, lehnte Lincoln ab.
Doris schloss den Pepsi-Automaten wieder. Sie redeten noch ein bisschen über Jolene und über Dorisâ verstorbenen Ehemann, Paul, den sie zwar vermisste, an den sie aber nicht so oft dachte wie an Jolene. Paul hatte geraucht und getrunken und sich geweigert, Gemüse zu essen. Selbst Mais.
Als sie schlieÃlich bei Dolly, ihrem ersten Basset, und Al, ihrem ersten Ehemann, ankamen, hatte Lincoln längst vergessen, dass er sich eigentlich nur aus Höflichkeit mit Doris unterhielt.
Am nächsten Tag ging er nicht ins Büro. Stattdessen besuchte er seine Schwester und half ihr, die Weihnachtsdekoration vom Dachboden zu holen. »Warum bist du denn nicht bei der Arbeit?«, fragte sie, während sie eine Kette mit Plastikpreiselbeeren entwirrte. »Hattest du einfach Lust, dir mal eine Pause zu gönnen?«
Er zuckte mit den Achseln und griff nach einer anderen Schachtel. »Ja. Eine Pause vom Pausemachen.«
»Was ist denn los?«, fragte sie.
Er hatte bei Eve vorbeigeschaut, weil er wusste, dass sie das fragen würde. Und er hatte gehofft, dass er eine Antwort parat hatte, wenn sie fragte. In ihrer Gegenwart fügten sich häufig die Puzzleteilchen zusammen.
»Ich weià auch nicht«, erwiderte er. »Ich hab einfach das Gefühl, dass ich irgendwas tun muss.«
»Was denn?«
»Keine Ahnung. Und genau da liegt das Problem. Oder das ist zumindest ein Teil des Problems. Ich komme mir vor, als würde ich schlafwandeln.«
»Du siehst auch wie ein Schlafwandler aus«, stimmte sie zu.
»Und ich weià nicht, wie ich wieder aufwachen kann.«
»Tu irgendwas«, riet Eve ihm.
»Was denn?«
»Verändere irgendwas.«
»Hab ich doch«, meinte Lincoln. »Ich bin wieder zu Hause eingezogen und habe mir Arbeit gesucht.«
»Dann hast du vielleicht noch nicht das Richtige geändert.«
»Wenn das ein Film wäre«, murmelte er, »dann würde ich mein Leben umkrempeln, indem ich mich als Freiwilliger für die Arbeit mit behinderten Kindern oder mit alten Menschen melde. Oder vielleicht anfange, in einem Gewächshaus zu arbeiten ⦠oder nach Japan umziehe, um dort Englisch zu unterrichten.«
»Ja? Und, wirst du irgendwas davon machen?«
»Nein. Ich weià nicht. Vielleicht.«
Eve sah ihn ungerührt an.
»Vielleicht solltest du dich im Fitnessstudio anmelden«, schlug sie vor.
Kapitel 38
Von: Beth Fremont
An: Jennifer Scribner-Snyder
Gesendet : Di., 16. 11. 1999, 14:16 Uhr
Betreff: Mein süÃer Typ
Wir nennen ihn ab jetzt nicht mehr so.
Von Jennifer an Beth: Ich glaube nicht, dass ich ihn je so genannt habe.
Von Beth an Jennifer: Wir nennen ihn stattdessen Meinen besonders süÃen Typen. Oder vielleicht Meinen besonders süÃen, lieben und mitfühlenden â und auÃerdem auch noch ziemlich witzigen â Typen.
Von Jennifer an Beth: Nicht sonderlich einprägsam. HeiÃt das etwa, du hast neue SüÃe-Typen-Info?
Von Beth an Jennifer: Na, eben! Ja. Gestern Abend hab ich noch gearbeitet, und als ich so gegen neun in den Aufenthaltsraum gegangen bin, um mir eine Packung köstlicher Käsecracker zu holen, rate mal, wer da ganz lässig saÃ? Mein süÃer Typ. Er hat zu Abend gegessen und sich mit Doris unterhalten.
Von Jennifer an Beth: Doris, die von den Automaten?
Von Beth an Jennifer: Die und keine andere. Sie hat ihm von ihrem Hund erzählt. Von ihrem toten Hund, glaube ich. Ehrlich gesagt könnte es sogar sein, dass es um ein totes Kind ging, aber das glaube ich nicht. Wie auch immer. Doris hat über Hunde geredet, und Mein süÃer Typ hat aufmerksam zugehört, genickt und dazu passende Fragen gestellt. Er hätte nicht netter sein können.
Von Jennifer an Beth: Vielleicht redet er ja gerne über tote Hunde.
Von Beth an Jennifer: Oder süÃer. Er
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