Liebe auf südlichen Straßen
Kinn und murmelte: »Hörst du diesen verdammten Bart, Maresciallo? Wie Draht! Kaum rasiert, läuft man schon wieder wie ein Schwein herum. Manchmal sehnt man sich direkt nach den Zeiten zurück, wo man die verfluchte tägliche Schinderei noch nicht nötig hatte...«
Er verfügte über dunkle Kaffeequellen und überraschte mich eines Tages mit einer Originalflasche schottischen Whiskys. Er wurde mir allmählich ein wenig unheimlich, und er schien es mir wohl auch angesehen zu haben, daß ich mir über sein Treiben Gedanken machte.
»Du bist verrückt, Maresciallo!« sagte er mit seiner rauhen Stimme, die sonor aus der Tiefe der Brust kam, »es ist Strandgut, nichts weiter! Frutti del mare sozusagen. Das Zeug wird kistenweise angespült. Man muß nur wissen, wo! Das Geschäft mit den Partisanen ist sowieso aufgesteckt. Es brachte nichts ein, und sie trauten mir auch nicht mehr ganz. Und außerdem habt ihr sie gründlich aus der Gegend des Golfs vertrieben.«
Ich sah mir die Flasche genau an. Das Seewasser hatte dem Etikett wunderbarerweise nicht geschadet.
»Die Flaschen sind wasserdicht verpackt!« sagte er.
»Wie?« fragte ich, »damit kein Wasser durchs Glas dringt und den Whisky verdünnt?«
Er schob sich den Panama ins Genick und kratzte sich den Kopf.
»Die Fischer sagen, sie fänden die Flaschen in zugelöteten Blechkisten... Beim Blut des heiligen Januarius! Wie meinst du, Maresciallo, daß sie sonst herkommen?«
»Keine Ahnung... Ich muß mal darüber nachdenken...«
»Du denkst, die Fischer segeln mit ihren Kuttern so weit auf die hohe See, daß sie mit denen da drüben Verbindung aufnehmen?«
Er schleuderte den Daumen in die Richtung von Civitavecchia und Rom. »Nein, maresciallo. das glaube ich nie im Leben! Aber ich werde der Sache von mir aus nachgehen!«
Ich aber beschloß, als Ortskommandant von Camogli die ausfahrenden Boote einer sehr gründlichen Untersuchung zu unterziehen. Es war gewiß nicht einfach, denn man konnte Karten mit unseren eingezeichneten Stellungen oder andere Nachrichten an den unmöglichsten Orten verbergen oder in bleibeschwerten Flaschen unter dem Kiel nachziehen. Man hätte für solche Entdeckungen eine Taucherausrüstung haben müssen...
»Ich habe mir übrigens gestern ein Zimmer in der Viale Doria genommen, Maresciallo. Ein Bett wie eine Wiese, und Spiegel überall. Ich trete es dir gern ab, wenn du es einmal brauchen solltest. Aber ich sehe schon an deinem Gesicht, du bist ein hoffnungsloser Fall. Daß du so gar nichts fürs Herz brauchst...! Früher habe ich das nicht so verstanden, aber jetzt, wo ich selber ein Mann bin, verstehe ich, wo es brennt. Nur, daß ich nicht so blöd bin, für eine Sache, die man jetzt jederzeit umsonst haben kann, mein sauer verdientes Geld herauszuschmeißen. — Buon giorno, Maresciallo! Und merk dir für alle Fälle die Adresse: Viale Doria! Du brauchst nur nach Signor Beppo Castaldo zu fragen.«
Und er zog ab, den Hut kühn auf dem Ohr, eine Locke in der Stirn und die blonde, süß duftende Zigarette im Mundwinkel. Er war fraglos ein aufgehender, aber dunkler Stern. —
Eines Tages kehrte unser alter Spieß, Stabsfeldwebel Joseph Heiß, zur Batterie zurück. Er kam mir kleiner vor, als ich ihn in Erinnerung hatte. Das Auge blitzte nicht mehr, die Brust schien flacher geworden zu sein, und das stramme, dunkel gerötete Genick, das in der Höhe des Kragens immer ein paar Furunkelpflaster geziert hatten, war faltig und schlaff geworden. Die linke Hand, an der ihm nur noch Daumen und Zeigefinger geblieben waren, sah blau aus, und er rieb sie ständig, mit einer mechanischen Bewegung, als müsse er sie erwärmen. Ich hatte noch einen Rest von dem Whisky in der Flasche und schenkte ihn in zwei Senfgläser, von denen ich ein halbes Dutzend gesammelt hatte.
»Prösterchen, Herr Stabsfeldwebel! Das nenne ich eine Überraschung!«
Er hob das Glas und nippte daran. Es war nicht der alte fröhliche Zug, den ich an ihm kannte.
»Prost, Bonaventura«, sagte er, »ich gratuliere Ihnen zum Feldwebel. Hat geklappt, wie? Aber wenn Sie meine Meinung wissen wollen, dann ist alles Scheiße.«
»Sieht es daheim so böse aus?« fragte ich betroffen, denn diese Töne waren neu, er war eigentlich immer ein Scharfmacher und begeisterter Krieger gewesen.
»Wir sind nur noch Randfiguren, Bonaventura«, sagte er und kippte den Rest herunter, als schlucke er eine bittere Medizin, »wir halten das Ende nur noch ein wenig auf. Sie müßten mal Hamburg
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