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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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gern getan?«
    Sie sicherte das Jagdgewehr und lehnte es schräg an den Stamm.
    »Ach, alles mögliche. Ich hätte gern studiert, an einer Universität studiert, Literatur, Philosophie und fremde Sprachen. Oder ich wäre auch gern Modezeichnerin geworden. Oder Fotografin; ich mache nämlich gute Aufnahmen. Und ich beobachte gern die Natur. Einmal habe ich eine Serie an eine Illustrierte in Mailand verkauft. Für zwanzigtausend Lire. Mein Vater war entsetzt...«
    »Fand er es zu billig?«
    Sie kicherte vergnügt: »Wo denken Sie hin? Nein, er war empört darüber, daß die Serie unter meinem Namen veröffentlicht wurde!«
    »Ach so!« sagte ich, »und was war es für eine Serie?«
    »Ich gab ihr den Titel >So stirbt das Tier<, und mit diesem Titel kam sie heraus. Ich entdeckte nämlich hier auf Castellano einmal einen Sperber, der sich bei der Verfolgung einer Wildtaube an einem dürren Ast selber aufgespießt hatte. — Und in der Campagna sah ich einen Igel, der sich vor meinen Füßen zum Sterben niederlegte. Hunderte von Zecken hatten ihn buchstäblich leergesaugt. — Ein ziemlich makabres Thema, nicht wahr?«
    Ich fand, es sei ein zeitgemäßes Thema. Und ich sagte, es sei den Menschen vielleicht ein Trost, daß der schwarze Engel nicht nur über dem Menschen allein schwebe, sondern daß er alles Lebendige ohne Unterschied sichele. Es klang furchtbar hochtrabend, und ich bemühte mich um mein bestes Italienisch und kam mir scheußlich geschraubt vor, aber ich hatte mich in den langen Kriegsjahren so sehr an den rauhen Ton des Landserlebens gewöhnt, daß es mir schwerfiel, mich natürlich auszudrücken, noch schwerer vor einer Marchesa della Rocca di Sanforino, auch wenn sie auf den Titel ihres Herrn Vaters keinen Wert legte.
    Ich zog eine angebrochene Packung aus der Tasche, bat um die Erlaubnis, rauchen zu dürfen und bot auch ihr eine Zigarette an. Sie roch an dem Tabak, der zu jener Zeit wahrscheinlich nur aus präpariertem Buchenlaub bestand, krauste die Nase und griff ihrerseits in die Tasche ihrer Jacke.
    »Ich habe noch ein paar englische Zigaretten. Weiß der Himmel, wie sie hierherkommen, aber immer wieder bringt ein Schmuggler ein paar Päckchen über die Berge. Bedienen Sie sich, Signor Bonaventura. Oder legen Sie auf den >Maresciallo< Wert?«
    Ich wehrte energisch ab und roch entzückt an dem blonden Tabak der »Blue boy«. »Das ist natürlich etwas anderes als unser scheußliches Ersatzkraut!«
    Ich reichte ihr Feuer und zündete meine Zigarette an, und mir wurde beim ersten Zug tatsächlich ein wenig schwindlig, als wäre es die erste Zigarette meines Lebens.
    »Ja«, sagte ich schließlich, um das Gespräch wieder in Fluß zu bringen, »was hinderte Sie nun eigentlich daran, das zu tun, was Sie gern tun wollten?«
    »Komische Frage«, sagte sie, »mein Vater natürlich! Wenn es nach ihm ginge, würde ich mein Leben in einer Glasvitrine verbringen. Er hat manchmal schrecklich mittelalterliche Ansichten. Und er hält die Sanforinos für die bedeutendste Familie der Welt. Er spricht es nicht gerade aus, aber ich bin davon überzeugt, daß er sie für älter und bedeutender hält als das Flaus Savoyen. Meine Brüder erlaubten es sich manchmal, ihn mit seinem >santo Sanforinismo< aufzuziehen...«
    »War das der Grund, weshalb man den Marchese auf die Liparischen Inseln verbannte?«
    »Hören Sie bloß davon auf!« rief sie und hob die Hände, als müsse sie sich die kleinen Ohren zuhalten. »Ich habe diese Verbannung zwei Jahre lang mitgemacht! Wäre mein Vater ein paar hundert Jahre früher geboren, hätte er es gewiß Isabella von Castilien nachgemacht und sein Hemd nicht gewechselt — so tat er nur den Schwur, sich den Bart wachsen zu lassen und ihn nicht eher abzunehmen, als bis die alte Ordnung in Italien wiederhergestellt sei. Das fürchterliche dabei war, daß ich ihm jeden Abend vor dem Schlafengehen einen Kuß in diesen Bart geben mußte!«
    »Eine scheußliche Vorstellung«, grinste ich und fuhr ohne besondere Absicht über mein glattrasiertes Kinn, »aber es würde mich interessieren, zu erfahren, ob der Bart nun gefallen ist.«
    »Das weiß ich nicht«, sagte sie düster und von meiner Heiterkeit nicht im mindesten angesteckt, »denn ich habe seit langer Zeit keine Nachricht von ihm bekommen.«
    Ich versuchte sie zu trösten, aber es war wohl nicht gerade sehr taktvoll von mir, ihre Landsleute in den Bergen zu erwähnen, die uns so viel zu schaffen machten und eifrig dabei waren, den

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