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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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und Düsseldorf und Köln und München sehen. — Ich wollte meine Frau und meine beiden Kinder, meinen Jungen und das kleine Mädchen, nach Oberbayern evakuieren. Sie wollten eigentlich nicht gehen, aber ich habe nicht nachgegeben. Und kurz vor München ist es dann passiert. In der Nähe von Pasing. Es war keine Spur mehr von ihnen zu entdecken...«
    »Oh... mein aufrichtiges Beileid...«, stotterte ich.
    Er wackelte wie ein alter Mann mit dem Kopf.
    »Und nun frage ich mich von früh bis spät, ob ich sie in den Tod gejagt habe. Der verfluchte Witz dabei ist nämlich der: unser Haus in Hagen steht, verstehen Sie, Bonaventura, steht! Bis jetzt ist nicht mal eine Fensterscheibe kaputt. Und sie würden heute noch leben, wenn ich meine Frau nicht dauernd gedrängt hätte: geh, Martha, fahr mit den Kindern fort, laßt hier alles stehen und liegen und geht aufs Land, bringt euch in Sicherheit...«
    »Aber Herr Heiß! Da können Sie sich doch keine Vorwürfe machen!« rief ich und schüttelte ihn an den Schultern.
    »Meinen Sie?« fragte er unsicher, »meinen Sie das wirklich?«
    »Aber da gibt es doch gar keinen Zweifel!«
    Für den Augenblick schien er beruhigt oder halbwegs beruhigt, aber einen Tag später hielt er mich, als hätten wir nie miteinander gesprochen, vor der Baracke an, erzählte mir seine Geschichte fast mit den gleichen Worten und richtete die gleiche Frage an mich. Und die gleiche Frage richtete er an jeden Mann der Batterie, dessen Gesicht er seit den alten Tagen von Pastola noch kannte. Schließlich verschwand er beim Regimentsstab und wurde von dort auf einen Verwaltungsposten in die Heimat abgeschoben.
    Ich war seit zwei Jahren nicht auf Urlaub gewesen und begann, mir um meine Eltern Sorgen zu machen. Aber die Briefe meiner Mutter klangen beruhigend wie immer. Sie bedankte sich für das Olivenöl, das ich ihr gelegentlich schickte oder durch einen Urlauber ins Haus bringen ließ, in überschwenglichen Tönen, und so kam ich zu der Meinung, in Deutschland sei es nur mit dem Fett ein wenig knapp. Mein Vater, der es im Ersten Weltkrieg bis zum Gefreiten gebracht hatte und den anderen Gefreiten, der so hoch gestiegen war, bewunderte, fand in seinen Briefen sogar heroische Töne, die mir ein gewisses Unbehagen verursachten. Er schrieb von Klassenkameraden, die mit dem Ritterkreuz und mit dem Deutschen Kreuz in Gold dekoriert worden seien, und ich hörte daraus den Vorwurf, daß ich es nicht einmal bis zum EK I gebracht hatte. Und er fragte an, weshalb ich nicht den Engländer in einem kurzen Prozeß mit Hussa und Hurra aus Italien verjage. Aber das sei wohl nur noch eine Frage der Zeit; er hätte einen Bekannten, und der wiederum hätte einen Freund, der mit dem Gauleiter verwandt sei, und dieser habe dem Freund des Bekannten unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut, die Entwicklung einer Wunderwaffe sei so gut wie abgeschlossen und der Krieg so gut wie gewonnen...
    Zweimal stieg ich, nachdem die Partisanen-Unternehmen für eine Weile abgeblasen worden waren, nach Castellano auf und besuchte die kleine Lichtung mit dem prachtvollen Blick auf den Golf. Ich traf die Marchesa nicht an, dafür fand ich beim zweiten Besuch auf dem Stamm der Eiche eine leere Packung Goldflake. Sie konnte höchstens eine Nacht dort gelegen haben, denn der Honigduft des Tabaks haftete noch an dem blauen Papier. Nachdem ich eine Weile auf dem Stamm gesessen, gewartet und aufs Meer hinausgeblickt hatte, dessen Schaumschleppen weiß zum Strande zogen, riß ich das Papier auseinander und kritzelte eine kurze Botschaft auf die weiße Innenseite: »Ich würde mich sehr freuen, Sie wiederzusehen. Paßt es Ihnen übermorgen?« Und ich fügte das Datum des Tages und den Anfangsbuchstaben meines Namens hinzu und spießte den Zettel mit einem Stückchen Holz in die Rinde des Stammes, auf dem wir gesessen hatten. Am nächsten Tag lag der Zettel noch an seinem Platz, aber das Hölzchen war nicht durch den Rand, sondern durch die Mitte gespießt, und unter meinen Zeilen stand: »Heute nicht möglich. Morgen um vier. Gruß G.« — Ich verwahrte den Zettel in meiner Brieftasche und schrieb auf ein Blatt aus meinem Notizblock, daß ich ihr für die Nachricht danke und pünktlich zur Stelle sein würde.
    An diesem Abend griffen die Alliierten den Hafen von Genua an. Sie kamen in einem Bogen von Westen, direkt aus der untergehenden Sonne heraus, und warfen den Rest der Bomben, die sie über Genua nicht losgeworden waren, im Abflug über

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