Liebe auf südlichen Straßen
unsere Stellungen bei Nervi, Recco, Camogli und Portofino ab. Wir feuerten aus allen Rohren. Zwei viermotorige Bomber zogen schwarze Rauchfahnen hinter sich her. Einer stürzte brennend ins Meer. Der andere flog mit spuckenden Motoren landeinwärts, warf seine letzte Bombenlast in der Richtung von Castellano ab und fuhr als Feuerflamme in die Wälder. Vier Punkte lösten sich von dem abstürzenden Rumpf, bevor er in Flammen aufging, und schwebten wie weiße Schmetterlinge zur Erde nieder. Wahrscheinlich fanden die abgesprungenen Flieger bei den Partisanen Unterschlupf, denn unsere Suchaktion nach ihnen blieb ergebnislos. Der Wald, in den das Flugzeug abgestürzt war, brannte zwei Tage lang lichterloh, bis es gelang, das Feuer einzudämmen. Ich beruhigte mich in meiner Sorge um die Marchesa, als ich hörte, daß die Notabwürfe in einiger Entfernung von Castellano aufs freie Feld niedergegangen waren und nur eine Kuh zerrissen hatten.
Da ich keinen Batteriedienst hatte, konnte ich es mir trotz der erhöhten Alarmbereitschaft leisten, unter Vorgabe der Inspektion eines zwischen Camogli und Portofino gelegenen Fischerdörfchens zu verschwinden. Ich fand mich pünktlich an dem verabredeten Platz ein. Aber es verging eine ganze Viertelstunde, und ich wollte schon enttäuscht den Rückweg antreten, als ich endlich ihr Kommen hörte und etwas Grünes zwischen den Stämmen der Eichen aufleuchten sah. Ja, es war Gina, dieses Mal ohne Hund, ohne Gewehr und ohne Dianenkostüm. Das Haar lag wie ein Bronzehelm straff über dem schöngeformten, schmalen Schädel und fiel vom Wirbel, wo es von einem grünen Seidenband gehalten wurde, wie ein Helmbusch in ihren Nacken. Sie trug ein grünes, weißgepunktetes Kleid mit einem weiten Glockenrock und einem herzförmigen Ausschnitt, der den zarten Ansatz ihrer Brüste ahnen ließ. Ich spürte meinen Herzschlag bis zum Hals und war sekundenlang wie gelähmt, nicht fähig, mich zu erheben.
»Mein Gott«, stammelte ich, als mir endlich die Sprache wiederkehrte und als die Beine mir wieder gehorchten, um ihr einen Schritt entgegenzugehen, »wie schön sind Sie...!«
Sie sah mich an. Und eine Blutwelle, die sich unter ihrer gebräunten Haut blitzschnell über den Hals und die Schultern verteilte, ließ ihren Teint noch dunkler erscheinen. Ihre Pupillen weiteten sich und wurden schwarz wie geschliffener Gagat. Und ihre Lippen begannen zu zittern. Und plötzlich stürzte sie mir entgegen, als suche sie bei mir vor einem Verfolger Schutz. Ihre Lippen fanden meinen Mund zu einem endlosen wilden Kuß, und während wir uns umarmt hielten, strömten Tränen aus ihren Augen und näßten mein Gesicht und meinen Hals. Ich preßte sie an mich und streichelte sanft und zärtlich ihren zuckenden Rücken.
»Nicht weinen, Gina... nicht weinen!«
»Oh, halt mich fest, Lorenzo!« schluchzte sie, »halt mich fest in deinen Armen und küß mich — solange wir noch leben!«
Ich hielt sie umschlungen, aber ich bildete mir nicht ein, es sei die große Leidenschaft und Liebe auf den ersten Blick, die sie zu mir getrieben hatten. Es war wohl nur die Nachwirkung der krepierenden Bomben und des Flakfeuers; Todesangst und Lebenshunger. Und vielleicht war eine kleine Sympathie dabei...
»Du wirst mich für ein dummes Ding halten, Lorenzo«, sagte sie, als wir uns schließlich auf unseren alten Platz niederließen, »aber ich habe solche Angst um dich ausgestanden, daß ich gar nicht zu kommen wagte. Ich fürchtete, ich würde dich nicht mehr linden...«
»Du hast Angst um mich gehabt?« fragte ich betroffen.
»Und was für eine Angst!« flüsterte sie und zog meine Hand an ihre Wange. »Die ganze Küste war ein einziges Blitzen und Krachen, und ich bin bei dem Gedanken, daß dir etwas geschehen könnte, beinahe gestorben.«
Es klang in meinen Ohren, als hörte ich Musik...
»Du willst damit doch nicht sagen, daß du mich liebst...?«
»Natürlich liebe ich dich, Lorenzo! Sonst hätte ich doch nicht geschossen!«
»Verzeih«, stammelte ich, »aber jetzt verstehe ich kein Wort mehr. Wer hat geschossen?«
»Ich natürlich, damals, als wir uns zum erstenmal hier trafen. Ich sah dich den Weg nach Castellano heraufkommen, und weil ich dir zu begegnen wünschte, schoß ich. Es war überhaupt kein Kaninchen da. Du hättest natürlich auch weglaufen können, als du es knallen hörtest. Aber ich wußte, daß du vor einem Schuß nicht davonlaufen würdest. Oh, Lorenzo...!«
Sie schlang die Arme wieder um meinen
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