Liebe auf südlichen Straßen
Krieg für Italien zu gewinnen oder wenigstens remis zu machen.
»Wie geht es dem Verwundeten?« fragte sie aus echter Anteilnahme und auch, um auf ein anderes Thema zu kommen. Er war in ein Heimatlazarett abtransportiert worden, und wenn ihn dort die Bomben nicht erwischten, so konnte man hoffen, daß er durchkommen würde. Sie seufzte auf und krümmte sich ein wenig, als fröstele es sie.
»Was für eine schreckliche Zeit!« sagte sie leise. »Bomben und Angst und Tod in jedem Gespräch...«
»Ja, Marchesa, aber man wird allmählich dickhäutig und lernt es, jede kurze Minute zu schätzen, die man noch erlebt.«
»Das klingt beinah weise...«, sagte sie mit einem Lächeln.
»Es ist die Weisheit eines alten Soldaten!« sagte ich mit Emphase und hob die Brust mit der Ordensspange wie ein narbenbedeckter und im Dienst ergrauter napoleonischer Gardegrenadier.
»Wie alt sind Sie eigentlich, Maresciallo?« fragte sie lachend.
»Raten Sie einmal, Marchesa!«
Sie sah mich prüfend von der Seite an und zögerte mit der Antwort. — »Dreißig...?« fragte sie schließlich mit einem Ton, als hätte sie ein paar Jahre aus Höflichkeit bereits abgezogen.
»Madonna mia!« rief ich ehrlich erschrocken, »sehe ich wirklich schon wie ein alter Mann aus?«
»Verzeihen Sie...«, sagte sie und errötete tief.
»Ich bin vor acht Tagen vierundzwanzig geworden!«
Für einen Augenblick legte sie ihre Hand auf meinen Arm: »Das macht der Krieg. Sehen Sie, meine Brüder rückten als richtige Buben aus... Ich glaube, Alfredo hatte noch nicht einmal einen Bart. Und als sie zum erstenmal aus Afrika auf Urlaub kamen, da waren sie beide richtige Männer geworden und sagten >Kleine< zu mir.«
Es war ein heißer Septembertag. Der Hund lag hechelnd neben uns und schnappte ab und zu nach den Fliegen, die sich auf seiner Nase niedersetzen wollten. Der Himmel spannte sich in makelloser Bläue über den Golfo di Paradiso. Das Meer lag grün und blau zu unseren Füßen, und nur ein paar Fischerboote mit roten Segeln rissen blitzende Furchen in den glatten Spiegel. Die Sonne war im Sinken und vergoldete mit ihrem Licht die Schatten der Steineichen und wilden Lorbeerbäume. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr.
»Wie spät?« fragte sie, »meine Uhr ist vor ein paar Tagen stehengeblieben, und es gibt hier keinen Uhrmacher, der sie mir repariert.«
Es war kurz vor sechs, und sie sprang erschrocken auf.
»Signor Berra wird sich Sorgen um mich machen. Er meint es gut, aber seine Sorge ist manchmal ein wenig lästig.«
»Ich muß leider auch zum Dienst...«
»Leider...?« fragte sie und warf mir unter den dichten Wimpern einen Blick zu, den ich für mehr ironisch als kokett hielt.
»Ja, leider! Weil der Dienst so öde ist und weil ich in den letzten Jahren sehr wenig Gelegenheit hatte, mich mit einer jungen Dame Ihrer Art zu unterhalten.«
»Das klingt ja fast wie ein Kompliment«, sagte sie lachend, »allerdings in der vorsichtigsten Form, die ich jemals gehört habe. Zum erstenmal merke ich, daß Sie wirklich kein Italiener sind, Maresciallo. Ein Italiener hätte mir nach so langer Unterhaltung schon mindestens drei Sterne vom Himmel gepflückt. Aber Sie tragen die Sterne noch immer auf der Achselklappe. Schenken Sie mir wenigstens einen davon!«
Ich wurde bis über die Ohren rot und riß den Stern aus der linken Achselklappe heraus.
»Bitte, Marchesa!« sagte ich und überreichte ihn ihr.
»Danke!« sagte sie und steckte ihn in die Tasche, »und im übrigen habe ich Ihnen doch schon gesagt, daß ich Gina heiße.«
»Ich heiße Lorenzo.«
Sie beugte sich nieder, nahm ihr Gewehr auf und pfiff Diana heran, die das Trommeln eines Kaninchens gehört hatte und ins Gebüsch abziehen wollte.
»Leben Sie wohl, Signor Lorenzo«, sagte sie und gab mir die Hand.
»Arrivederla, Signorina Gina«, sagte ich und spürte, daß mich der leichte Druck ihrer Finger von Kopf bis Fuß durchrieselte, »noch eins, bevor Sie gehen: ich würde Ihnen wirklich raten, diese Jagdausflüge ohne Begleitung zu unterlassen. Tapferkeit ziert den Soldaten, sagt man, aber ich habe inzwischen gelernt, daß eine kleine Portion Vorsicht der Gesundheit zuträglicher ist.«
Sie schloß die Augen und senkte den Kopf: »Nett von Ihnen, daß Sie mich für so mutig halten. In Wirklichkeit zittere ich vor Angst...«
»Dann verstehe ich Sie überhaupt nicht mehr!« rief ich.
»Man muß sich doch bezwingen!« sagte sie heftig.
»Hören Sie, Gina, das sind doch nichts
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