Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
als meine Nase nach diesem unvermittelten Richtungswechsel mit seinem auf mich herabsehenden Gesicht kollidiert. Seine Lippen formen sich zu einem Lächeln und fast hätte ich vergessen, was ich gerade noch von ihm wollte.
„Ja?“, fragt er, während er meine Gesichtszüge aufmerksam studiert.
„Danke. Ich meine ... na ja, eben einfach danke. Ich werde über Ihre Worte nachdenken.“
„Das habe ich gehofft“, antwortet er erfreut.
So? Hat er das? Nachdenklich mustere ich einen kurzen Augenblick sein Gesicht. Mit einem warmen Lächeln sieht er mich an und wartet auf ein weiteres Wort von mir, doch ich bringe nur noch ein kurzes Nicken zustande und verlasse daraufhin verwirrt den Raum.
Das Ungeheuer von Rosefield
Geduldig erklärt mir Jacob Downey nun schon seit einer Stunde an Charly das Aufzäumen. Diese zahllosen Schnallen am Zaumzeug erfüllen sicher alle ihren Zweck. Nur warum müssen es so viele sein? Falls nicht ein Wunder geschieht, merke ich mir nie und nimmer, wie die Lederriemen nun über Charlys Kopf gezogen werden müssen.
Jacob und ich sind inzwischen übereingekommen, uns beim Vornamen zu nennen. Schweren Herzens habe ich den Spitznamen, der mir damals spontan für ihn einfiel aus meinem Gedächtnis gelöst. Und wenn er ein herumspringendes Skelett wäre, „Knochi“ wird ihm einfach nicht mehr gerecht. Ich mag ihn.
„Aber Jenny, das ist doch gar nicht so schwer“, behauptet Jacob nun. „Fang einfach mit der Gebissstange an. Dann kannst du eigentlich kaum mehr was falsch machen, da es nur diese eine Lösung gibt.“
Das sagst du so einfach.
„Schau mal, die Schnalle ziehst du über seine Ohren und dann brauchst du nur noch verschließen. Siehst du, so. Nun probier′ es noch mal in aller Ruhe allein. Ich komme gleich noch einmal kontrollieren.“
Wer hat sich nur diese verworrenen Pferdezügel ausgedacht? Und weshalb muss man den Pferdekopf so verschnüren wie ein Postpaket? Wenn ich jemals kapiert habe, wie ich Charly dieses Ding richtig um den Kopf wickle, dann kann ich auch gleich reiten lernen. Das kann kaum schwerer sein.
Während ich die Lederbänder abwechselnd an Charly anhalte, um die richtige Halfterposition auszuloten, schweifen meine Gedanken zu David Barclay ab. Seit diesem Gespräch vor zwei Tagen hat sich meine Meinung über ihn verändert. Ich sehe nicht mehr nur noch den Choleriker in ihm. Seine feinfühlige Argumentation lässt einen tiefgründigen Einblick in seine Seele zu. Vielleicht nicht für jeden, doch mir ist sofort aufgefallen, dass mehr hinter der Fassade steckt, als es anfänglich den Anschein hatte. Ich gebe zu, er hat mich überzeugt. Trotzdem bleibe ich dabei, dass meine kleine Panne mit Charly nicht eine derart heftige Reaktion verlangt hätte. Ein bisschen mehr Humor würde ihm sicher nicht schaden.
Gedankenverloren arbeite ich mit dem Zaumzeug herum. Charly kaut beharrlich auf der Gebissstange, die ich ihm nun schon vor gut einer Viertelstunde verdreht ins Maul gesteckt habe und lässt mich gleichmütig an seinem Kopf hantieren. Als ich eine weitere Viertelstunde später endlich alles richtig gemacht habe, trifft mich fast der Schlag vor Freude. Nichts ist aufregender als ein Erfolgserlebnis. Es lohnt sich eben, nicht vorschnell die Flinte ins Korn zu werfen. Wie gut, dass ich in allen Lebensbereichen furchtbar hartnäckig bin. Aufgeben gehört nicht zu meinen Tugenden.
Ich muss Jacob meinen Fortschritt in Sachen Pferdezäumung vorführen. Erfolge machen keinen Spaß, wenn man sie nicht mit irgendjemand teilen kann. Begeistert laufe ich zur Tür und reiße sie freudestrahlend fast aus den Angeln, als ich mich schwungvoll dagegendrücke. Gerade will ich nach Jacob rufen, als ein hysterisch bellendes schwarzes Untier auf mich zugestürzt kommt und meinen Ruf im Keim erstickt. Kläffend bleibt es etwa einen Meter vor mir stehen. Die Angst steht mir ins Gesicht geschrieben, zumal kein Mensch in Sicht zu sein scheint, der mir aus dieser brenzligen Situation helfen könnte. Den Versuch, es mit ein paar besänftigenden Worten zum Aufgeben zu bewegen, kann ich im Vorfelde für wirkungslos erklären. Es ist mir noch niemals gelungen, einen Hund zu beruhigen. Eher führten sämtliche Beruhigungsversuche dazu, dass alles nur noch schlimmer wurde und ich mich fast im Maul einer dieser unbezähmbaren Monster wiederfand. Was soll ich nun tun? Ich könnte ihm meinen Arm zum Fraß hinwerfen. Dann wär ich zwar meinen Arm los, aber ich könnte
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