Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
ein Rätsel. Sie sind mir fremd geworden, obwohl ich mich Ihnen bis vor Kurzem noch so nah gefühlt habe. Aber das muss wohl ein Irrtum gewesen sein.“
Ich will weitergehen, doch Mr. Barclay hält mich zurück.
„Meine Güte, nein, es war kein Irrtum. Ich habe ganz genauso empfunden und ich tue es immer noch.“
Ach ja? Warum dann diese Hochzeitspläne? Mir ist das alles zu kompliziert.
„Vergessen Sie, was Sie da auf meinem Schreibtisch gesehen haben“, verlangt er von mir.
Verständnislos sehe ich ihn an. Aber warum? Wenn er mir wenigstens eine meiner vielen Fragen beantworten würde, die mir durch den Kopf schwirren. Stattdessen fordert er von mir, dass ich mich mit der Umnebelung seines Verstandes einfach abfinde und mir eine Tüte über den Kopf ziehe. Das geht nicht! Wie stellt er sich das vor?
„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, erwidere ich und bemerke im selben Augenblick seinen bekümmerten Blick.
Weshalb dieser Blick? Ich glaub, ich muss hier raus! Im Stall werde ich mir ein gemütliches Plätzchen suchen und in Ruhe nachdenken. Ja, vielleicht hilft das. Nachdenken kann sehr nützlich sein, wenn man es richtig anstellt. Womöglich übersehe ich ein ganz wichtiges Detail.
Ich hole tief Luft und versuche noch etwas zu sagen, doch dann stelle ich fest, dass es in diesem Augenblick einfach nichts mehr zu sagen gibt. Daher setze ich meinen Weg zum Ausgang fort und drehe mich auch nicht mehr nach Mr. Barclay um.
Natürlich hat mich das Nachdenken nicht weitergebracht. Ich habe in der Zeit die Stallgasse über ein Dutzend Mal hoch- und runtergefegt. Ein Wunder, dass der Zementboden dabei nicht abgebröckelt ist. Doch eine Erklärung für diese undurchsichtigen Vorgänge habe ich nicht gefunden. Im Gegenteil. Ich habe so fieberhaft gegrübelt, dass meine Gehirnflüssigkeit ihren Siedepunkt erreicht hat. Ich fühle mich, als trüge ich einen Wasserkessel auf dem Hals. Leider ist jetzt alles noch verworrener als zuvor. Hätte ich bloß auf Mr. Barclay gehört und das Schriftstück auf seinem Schreibtisch aus meinem Gedächtnis verbannt. Nur hätte er mir noch eine ausführliche Anleitung für „spontanes Vergessen“ geben sollen.
Ein Kuss ist nicht genug
In der Nacht tat ich kaum ein Auge zu. Meine Gedanken rotierten unaufhörlich im Kreis herum und brachten mich zu keiner neuen Erkenntnis.
Meine Tante, der ich von den ungewöhnlichen Vorgängen auf dem Hof berichtete, wusste nur eines dazu zu sagen: „Dein Mr. Barclay scheint verwünscht zu sein.“
Auf diese Bemerkung hin, habe ich den Hörer auf den Küchentisch gelegt, während meine Tante mit ihren mystischen Andeutungen fortfuhr. Mir stand einfach nicht der Sinn danach, mir diesen übersinnlichen Kram wieder anhören zu müssen. Aber widersprechen wollte ich ihr auch nicht, da ich einer unliebsamen Diskussion mit ihr gerne aus dem Wege gehen wollte. Nach gut fünf Minuten nahm ich den Hörer wieder vom Tisch und überprüfte, an welcher Stelle ihrer Ausführungen sie bereits angelangt war, und stellte bei ihrem letzten Satz, der just in diesem Augenblick erklang, mit Freude fest, dass sie sich dem Ende ihres Vortrages näherte.
„Da hilft nur ein Zaubertrank, den du ihm verabreichen musst, um ihn von diesem Bann zu erlösen“, waren ihre letzten Worte.
Sicher doch! Dass es mir gelang, meine Tante die ganzen Jahre trotz allem ernst zu nehmen, war mir schleierhaft. Jedenfalls war sie mir bei der Lösung meines Problems keine große Hilfe.
Ich stehe mit Mr. Wilson, dem Tierarzt, in Charlys Box und beobachte ihn dabei, wie er Charlys Bein abtastet.
„Die Verletzung heilt gut ab“, bemerkt er nun. „Ich bin wirklich sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit, Miss Robertson. Ihre Heilmethoden sind außerordentlich interessant. Sie müssen mir unbedingt mehr darüber erzählen.“
Besser nicht.
„Gern, nur bin ich mir nicht sicher, ob sie diese Methoden als Schulmediziner wirklich überzeugen werden.“
„Ich würde mir gern selbst ein Bild über diese geheimnisvollen Praktiken machen. Und im Übrigen ist Homöopathie ja längst eine weit verbreitete Behandlungsweise, die inzwischen sehr viele Anhänger gefunden hat. Auch ich gehöre dazu.“
„Ja, das ist wohl wahr. Aber die Homöopathie wurde nur zu einem Teil von mir bei Charly angewandt. Ich habe praktisch alles, was mir an Kenntnissen zur Verfügung stand, aus meinem Wissensschatz gekramt. Auch ziemlich unkonventionelle.“
Mr. Wilson lacht beschwingt und erhebt sich
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