Liebe braucht keine Hexerei (German Edition)
bis jetzt im Terminkalender. Vielleicht wird es diesmal ein ruhiger Tag, ich könnte nach der vielen Hektik der letzten Tage mal eine kleine Pause gebrauchen. In der Schule wird im Moment sehr viel von uns abverlangt. Ich komme mit dem Lernen kaum noch hinterher, denn Dr. Wilson nimmt mich zeitlich sehr in Beschlag. Manchmal könnte ich schwören, er zögert meinen Feierabend mit Absicht hinaus, um noch mehr Zeit mit mir verbringen zu können.
Seine regelmäßigen Essenseinladungen habe ich bisher alle abgelehnt, aber irgendwann wird er ein Nein sicher nicht mehr einfach so akzeptieren. Und vielleicht sollte ich mich langsam mit dem Gedanken abfinden, dass es David in meinem Leben nicht mehr geben wird. Dr. Wilson ist ein sehr verständnisvoller, durchaus attraktiver Mann. Wir arbeiten hervorragend zusammen und sind ein gutes Team. Ich sollte es mir überlegen.
Müde betrete ich die Praxis. Judy ist schon hinter ihrem Tresen und winkt mir gut gelaunt zu. Wie macht sie das nur, an solch einem Morgen so heiter zu wirken? Ein guter Kontrast zum Wetter, das muss ich zugeben. Aber es färbt leider nicht auf mich ab.
„Guten Morgen, Judy. Ist Dr. Wilson schon da?“
„Aber ja, er wartet schon auf dich. Ich glaube, er möchte etwas mit dir besprechen.“
Nicht doch! Am frühen Morgen kann ich unmöglich schon sprechen, geschweige denn etwas be sprechen. Das überfordert mich. Ich gehe in sein Büro und sehe ihn über einem Schriftstück brüten. Überrascht schaut er auf und macht den Eindruck, gerade verreist gewesen zu sein.
„Oh, schön, dass Sie da sind, Miss Robertson. Ich habe hier etwas, das Sie sicher interessieren wird. Es ist etwas seltsam, aber sie sollten es wissen.“
So, was kann das wohl sein?
Dr. Wilson sitzt an seinem Schreibtisch. Ich setze mich auf einen Stuhl davor, lehne mich bequem zurück und gähne genüsslich.
„Sie sollten unbedingt länger schlafen, Miss Robertson, Sie sehen müde aus.“
Ja, das kann man wohl sagen, aber du bist nicht ganz unschuldig an diesem Schlafdefizit.
„Da haben Sie sicher Recht, aber wie soll das funktionieren? Ich arbeite schließlich täglich bis in die Abendstunden und danach muss ich noch lernen. Mir bleibt kaum Zeit für ein bisschen Privates, geschweige denn für Schlaf.“
Skeptisch sieht mich Dr. Wilson durch zusammengekniffene Augen an. Warum tut er das? Die Sonne kann ihn ja schlecht blenden bei diesem Sauwetter da draußen.
„Habe ich hier etwa einen leichten Unterton des Vorwurfs herausgehört?“, fragt er mich mit einem kritischen Blick. „Miss Robertson, Ihre Mitarbeit ist für meine Praxis außerordentlich bereichernd. Ich bewundere Sie, und das wissen Sie nur zu gut. Aber es liegt mir fern, Ihren ursprünglichen Plänen im Weg zu stehen.“
Oh je, ich habe ihn doch hoffentlich nicht gekränkt?
„Ihr Ziel ist eine eigene Praxis, wenn Sie Ihre Prüfung zur Heilpraktikerin bestanden haben, und die Arbeit bei mir soll Ihnen den Einstieg einmal erleichtern. Einige Patienten haben Sie ja bereits jetzt schon gewonnen durch meine kleine Propaganda-Taktik. Und ich wünsche mir für Sie, dass es noch mehr werden. Wenn Ihnen also die Zeit fehlt für Ihren Lernstoff, dann gebe ich sie Ihnen. Das ist doch gar keine Frage. Warum haben Sie nicht einfach mit mir darüber gesprochen?“
Ich reibe ermattet meinen Nacken und muss erkennen, dass Dr. Wilson vollkommen Recht hat. Er ist doch kein Unmensch. Man kann mit ihm reden und ich hätte viel eher etwas sagen müssen.
„Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis, Dr. Wilson. Ehrlich gesagt war ich etwas verunsichert, Sie nach so kurzer Zeit darum zu bitten. Sie schienen, mich zu brauchen, und ich wollte Sie nicht enttäuschen.“
„Natürlich brauche ich Sie!“, sagt er lachend und legt das Schriftstück aus den Händen, an dem er sich die ganze Zeit festhielt. „Aber doch nicht so! Sie haben Ränder unter den Augen und sehen aus wie ein Murmeltier.“
Ist das wahr? Mein Gott, wenn ich das gewusst hätte, ich hätte mir ein bisschen Farbe in mein Gesicht gepinselt. Ich greife mir die verchromte Papierschere von seinem Schreibtisch und versuche, mich darin zu spiegeln. Grauenvoll! Er hat Recht. Ich sehe aus wie ein Nachtgespenst!
„Ein Wunder, dass ich mit diesem Anblick nicht sämtliche Kühe und Schweine der letzten Tage verschreckt habe“, sage ich bestürzt und lege die Schere wieder an ihren Platz. Dr. Wilson lacht amüsiert und nimmt das Papier wieder auf, dass er soeben aus der Hand
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