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Liebe braucht keinen Ort

Liebe braucht keinen Ort

Titel: Liebe braucht keinen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Waggoner
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richtig ernst nehmen. Bei Liza war das ganz anders. Sie flirtete nicht wie Rani. Wenn sie einmal Bindungen geknüpft hatte, konnten die so tief gehen, dass sie Liza ablenken würden. »Das ist für uns einGrund zur Beunruhigung«, hatte die Gutachterin mit einem kleinen Stirnrunzeln gemeint.
    Liza erinnerte sich an die Röte, die ihr damals kurz die Wangen gewärmt hatte. Sie hatte das Gefühl gehabt, dass man sie wegen etwas anklagte, was sie nicht getan hatte. Sie wollte ihrer Gutachterin versichern, dass so etwas in tausend Jahren nicht passieren würde. Stattdessen hatte sie es geschafft, geduldig zuzuhören, wie die Frau sie belehrte, dass sie in der Zukunft vielleicht einmal eine beratende Therapie benötigen würde.
    Schließlich waren die drei, die sich im Juniorprogramm ein Zimmer geteilt hatten – Liza, Rani und Jasmine   –, nicht nur unter den fünfzig Prozent gewesen, die ins Seniorprogramm übernommen wurden, sondern sie hatten die gesamte Ausbildung auch mit Bestnote abgeschlossen. Manche Zimmergenossinnen verloren einander mit der Zeit aus den Augen, aber Liza und ihre Freundinnen nicht. Von Anfang an hatte Rani ihre beiden heimwehkranken Mitbewohnerinnen, eine aus Amerika und eine aus Indonesien, eher wie Schwestern als wie Zimmergenossinnen behandelt. Sie hatte die beiden ins geräumige Haus ihrer Eltern in London mitgenommen, wenn sie in den Schulferien nicht wussten, wohin, und sie hatte ihr großzügiges Taschengeld mit ihnen geteilt, wenn sie knapp bei Kasse waren. Und obwohl Jasmine eine Stelle in ihrem Heimatland Indonesien angenommen hatte, waren die drei einander noch so nah wie eh und je.
    Ranis ungeduldiger Seufzer holte Liza wieder in die Wirklichkeit zurück. »Also? Was ist jetzt mit dir?«
    Einen Augenblick lang erstarrte Liza und glaubte, dass sich Rani nach David Sutton erkundigte. Aber wie konnte Rani davon wissen. »Ich   … «
    Rani war immer die Erste, der sie alles erzählen wollte, aber in diesem Moment auf dem Flur, in dem sie Ranis helle, neugierigeAugen auf sich gerichtet spürte, stellte sie fest, dass sie den Gedanken an David tiefer in eine geschützte Ecke ihres Selbst schob.
    »Sag bloß nicht, dass du es vergessen hast, Liza!
Menthol Light
spielen heute im
Blue Elm.
Joshua hat vier Karten.« Rani hielt vier Finger in die Höhe. »Für mich. Für Joshua. Für Joshuas Freund Tarquin. Und für dich? Du hast gesagt, du würdest mir Bescheid sagen. Du hast sogar gesagt, dass du Tarquin irgendwie magst.«
    Das stimmte schon, Liza mochte Tarquin irgendwie. Hatte ihn jedenfalls irgendwie gemocht. Doch jetzt schien alles anders zu sein, als hätte irgendetwas ihre Schneekugelwelt auf den Kopf gestellt und ordentlich durchgeschüttelt. Sie wollte nur noch in Ruhe gelassen werden, damit sie alles noch einmal durchdenken konnte.
    »Tut mir leid, Rani, mir ist heute einfach nicht danach.«
    Unvermittelt drückte Rani den Handrücken an Lizas Stirn. »O Gott, du glühst ja.«
    Wirklich? Liza hatte gerade gedacht, dass ihr kalt war. Und sie fühlte sich ein bisschen leer, so wie vorhin, als David sie draußen vor dem Krankenhaus gefunden hatte. Mit ihm zusammen hatte sie sich eine Weile warm und glücklich gefühlt, und jetzt war das alles schon wieder verschwunden. Sie wollte nur eins: in ihr Zimmer gehen, sich unter ihre schwebende Bettdecke legen und diese Wärme wiederfinden.
    »Du brütest irgendwas aus«, meinte Rani. »Du solltest dich vielleicht besser ins Bett legen. Ich finde jemand anderen für Tarquin. Und wenn du dich später wieder besser fühlst, ruf mich an. Irgendwo kriegen wir dann schon noch eine Karte für dich her.«

    Lizas zwei stille Zimmer im Wohnheim waren ihr nie einladender vorgekommen als jetzt. Früher einmal hatte das Wohnheim aus vier getrennten Gebäuden am
Fordham Square
bestanden, einem altmodischen Häuserblock mit grünem Gras und Bäumen unweit des Krankenhauses. Vor einigen Jahren hatte man die Gebäude miteinander verbunden und den Platz dazwischen überdacht und klimatisiert, sodass er nun wie ein geschützter Garten war, in dem immer Päonien und Rosen blühten. Oft spazierte Liza, wenn sie von der Schicht nach Hause kam, barfuß hier herum, und das kühle grüne Gras entspannte sie von den Sohlen aufwärts.
    Aber heute Morgen war es anders. Sie tippte auf eine Schaltfläche, und das Fenster durchlief alle möglichen Lichtstimmungen von Tag zu Sonnenuntergang und Abend, schließlich zu einem klaren Mitternachtsblau. Sie bemerkte, dass

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