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Liebe braucht keinen Ort

Liebe braucht keinen Ort

Titel: Liebe braucht keinen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Waggoner
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waren sich der inneren Verletzungen nicht bewusst, die sie Stunden oder Wochen später umbringen würden, wenn die verletzten Organe versagten oder winzige Risse sich entzündeten. Im Krankenhaus wurden sie NKDs genannt: Patienten, für die es noch keine Diagnose gab.
    In den drei Jahren, seit mitten in Paris die erste Schockbombe hochgegangen war, hatte man keine einzige dieser Bomben entschärfen können und keiner der Attentäter war je gefasst worden. Die Verantwortlichen, eine Gruppe von Anarchisten, die die vollständige Rückkehr zurück zur Natur und die Zerstörung aller Städte und gesellschaftlichen Strukturen verlangten, hatten keine Unterstützung und beinahe kein Geld, beherrschten aber eine furchterregende Technologie, die schon Tausende umgebracht hatte. Überall, wo sie zuschlugen, waren die Krankenhäuser danach völlig überfüllt. Dass die Krankenhäuser aus demVerkehr gezogen wurden, war den Anarchisten wichtig, denn sie argumentierten, dass die Menschen durch diese Einrichtungen in den natürlichen Auswahlprozess eingriffen und das Überleben von Menschen über das aller anderen Lebewesen stellten.
Erst wenn ein natürliches Gleichgewicht wieder hergestellt ist, kann die Erde frei sein
, so lautete eines der vielen Mottos der Anarchisten.
    Liza erreichte den Eingang zur Notaufnahme gleichzeitig mit der ersten Welle von Krankenwagen. Es war der dritte Schockbombenangriff, mit dem sie zu tun hatte, und sie kannte die Routine. Erst ganz schnell umziehen, dann die Sensoren an den rasierten Stellen im Nacken anbringen, sicherstellen, dass ihr Haar sie abdeckte, auf dem Hauptbildschirm nachschauen, ob sie eingeloggt war und ihre Gehirnwellen aufgezeichnet wurden. In den Krankenhäusern arbeitete man noch daran, eine Routine für den Umgang mit Schockbomben auszuarbeiten. Bisher schien es so, als wären Empathen der vielversprechendste Ansatz. Zum einen gab es nicht genug Thermoscanner für die vielen anfallenden Patienten, und außerdem waren diese Scanner auch nicht in der Lage, die winzig kleinen Nadelstiche zu entdecken, die zu einem langen, qualvollen Tod führen konnten. Empathen waren bisher bei der Überprüfung der Patienten wesentlich genauer gewesen, hatten diejenigen, die sofortige Behandlung benötigten, von denen trennen können, für die dies nicht der Fall war. Die Sensoren an Lizas Nacken würden in den nächsten paar Stunden ihre Gehirnwellen überwachen. Letztlich würden diese Wellen in Muster und Gedanken übersetzt werden, die den Forschern einen weitaus besseren Einblick in die unzähligen Faktoren geben konnten, die Lizas Einschätzung der Patienten beeinflussten, als Liza das je hätte machen können. Das Endergebnis, hofften die Forscher, würde dann dazu beitragen, überall auf der Welt andere Empathen auszubilden.
    In der Notaufnahme herrschte Chaos. Weil es nicht genug Krankenwagen gab, um mit der Patientenmenge fertigzuwerden, kamen Hunderte von NKDs selbstständig ins Krankenhaus, während weitere Hunderte von Bürgern zu Hilfe geeilt waren. Alle Zimmer waren überfüllt, auf allen Fluren saßen Patienten und draußen stand eine riesige Menschenmenge. Liza begriff dass es das gleiche Problem geben würde wie beim letzten Mal – die NKDs von den anderen zu unterscheiden. Dann sah sie Rani, die mit Schachteln voller roter, blauer und grüner Leuchtmarker durch die Schwingtür kam. Sie steckte Liza von jeder Farbe einige in die Tasche.
    »Markiere sie auf der Stirn«, sagte sie und teilte an alle Empathinnen, die sie erreichen konnte, Stifte aus. »Grün für Helfer, rot für NKDs, die sofort behandelt werden müssen, ein blauer Strich für NKDs, die nicht so dringend sind, und zwei blaue Stiche für alle, die noch länger warten können.«
    »Sie werden sich dagegen wehren«, warnte Liza, die sich an das letzte Mal erinnerte, als die NKDs sich geweigert hatten, die Wahrheit zu akzeptieren, und sich die farbigen Papierarmbänder weggerissen hatten, die sie damals benutzt hatten.
    »Mach schnell«, riet ihr Rani, »und sag ihnen, dass sich das abwaschen lässt.« »Stimmt das?«
    »Ja, in etwa zwei Wochen.« Rani grinste und verschwand in der Menschenmenge.
    Für Liza waren die nächsten Stunden wie ein Kampfeinsatz. Es gab kein ruhiges Fleckchen, keine Methode, wie man die Patienten beruhigen konnte, die einen Schock erlitten hatten und die überzeugt waren, dass es ihnen bestens ging und sie nach Hause gehen und dort alles verdrängen konnten, was geschehen war. Mit

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