Liebe braucht keinen Ort
Attentats sterben? Und du glaubst, du bist die große Horrornummer in meinem Leben?« Sie legte ihre Wange an seine Brust. »Was ist, wenn einer von uns beim nächsten Anschlag stirbt? Was ist, wenn wir beide sterben und nie zusammen sein konnten?«
Liza blieb an der Tür zur Notaufnahme stehen, als er ging. Der Tag war in die Nacht geglitten und es hielten sich immer noch kleine Gruppen von Menschen im Krankenwagenbereich auf. Kurz bevor er in der Dunkelheit verschwand, drehte er sich noch einmal um und sah sie neben der Tür stehen. Er hob die Hand und sie ihre.
Dieses Mal, das wusste sie, würde er nicht verschwinden.
Kapitel 5
Das Mädchen
mit den Wasserfallhaaren
Liza hatte all die Dinge vergessen, die auf eine Schockbombe folgten – die besorgten Anrufe von ihren Eltern und die E-Mails , in denen sich Jasmine erkundigte, ob es ihr und Rani gut ging, die menschenleeren Straßen, auf denen man wegen der vielen Sicherheitskontrollen nur sehr langsam vorankam, die mühsame Arbeit, die nicht identifizierten Opfer mit den Meldungen über vermisste Personen abzugleichen.
London war so gut wie von der Umwelt abgeschnitten, während die antianarchistischen Truppen nach Menschen suchten, die vielleicht etwas mit dem Attentat zu tun hatten. Nur einige wenige U-Bahn -Linien funktionierten, und die Vactrains – die Züge, die unter dem alten Bahnkörper von BritRail durch Vakuumtunnel flogen – hatte man völlig außer Betrieb genommen, ebenso die Flughäfen. Es gab keine öffentlichen Verkehrsmittel, die aus London oder nach London führten, und wenn man mit einem Privatwagen an den Kontrollpunkten vorbeiwollte, brauchte man einen Passierschein. Immer noch tauchten Leuteim Krankenhaus auf, die davon überzeugt waren, dass sie sich im Einzugsgebiet der Explosion aufgehalten hatten, aber meist waren sie nur einsam und verängstigt. Alle mussten untersucht werden, es mussten Diagnosen gestellt werden, und in den nächsten paar Tagen arbeitete Liza, bis sie vor Erschöpfung schwankte. Außer ein paar Stunden, die sie sich hier und da abzweigte, hatte sie beinahe zwei Wochen lang keine Freizeit mehr. In der folgenden Woche, als die Vactrains wieder verkehrten, hatten Liza und David ihre erste richtige Verabredung.
Sie hatten seit der Schockbombe nicht viel Zeit gehabt, miteinander zu reden, und die zauberhafte Verbindung, die sie im Vorratsraum verspürt hatten, schien beiden allmählich ein wenig unwirklich. Schließlich war David älter als Liza, er war gerade neunzehn geworden. Sie konnte nicht wissen, ob sie nicht nur eines von vielen Mädchen in seiner Welt war. Seinen Welten, genau gesagt. Vielleicht wartete sogar auf seinem Heimatplaneten Omura jemand auf ihn. Für ihn war Liza möglicherweise so wie Süßigkeiten, die man im Urlaub genoss. Die zählten nicht wirklich.
Trotzdem freute sie sich darauf, ihn wiederzusehen. »Ich möchte was machen, das Spaß macht«, hatte er zu ihr gesagt. »Nichts, was produktiv oder nützlich oder Bildung ist. Einfach nur Spaß.«
Spaß war im zielorientierten Omura Mangelware, hatte er ihr erklärt. Die Leute hielten sich in Form, indem sie täglich zwei kurze, höchst wirksame Trainingseinheiten absolvierten. Sie nahmen Lebensmittel zu sich, die nur im Hinblick auf ihren Nährwert hergestellt waren, und jedes Musikstück hatte einen pädagogischen Hintergrund, und die Texte der Lieder halfen den Leuten, sich Dinge wie die Knochen im menschlichen Körper oder mathematische Formeln einzuprägen. In ihrer Freizeitbildeten die Bewohner von Omura Mannschaften und hielten Wettbewerbe darüber ab, wer den meisten Müll einsammeln oder die beste Lösung für ein Verkehrsproblem vorlegen konnte.
»Du meinst, ihr macht gar nichts einfach nur zum Spaß?«, fragte Liza. »Ihr lauft nicht barfuß durch nasses Gras? Oder tut irgendwas, das euch das Gefühl vermittelt, die Welt sei größer und interessanter, als ihr je geglaubt hättet? Reisen zum Beispiel?«
»Es gibt keinen Grund zum Reisen mehr«, erklärte David. »Die CGA, unsere Zentralregierung, hat den Planeten vor einigen Jahrhunderten stabilisiert. Das Klima ist angenehm und von einem Pol zum anderen gleichmäßig. Alle sprechen dieselbe Sprache und haben dieselben Ziele. Es gibt nichts, was man an einem Ort auf Omura bekommt, das es nicht überall anderswo auch gibt. So haben wir einen freien Kopf und können unsere Technologie und Forschung vorantreiben. Deswegen sind wir euch so weit voraus, obwohl das intelligente Leben
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