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Liebe braucht keinen Ort

Liebe braucht keinen Ort

Titel: Liebe braucht keinen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Waggoner
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es?«
    »Nein.« Liza ertastete nichts als glatte Haut und Muskeln. Keinen Verband, keine Wunde. »Wie hast du das gemacht?«
    Er hielt eine kleine Silberstange hoch. Liza erkannte sie sofort – sie sah genauso aus wie der kleine Gegenstand, den David damals an jenem Abend im Behandlungszimmer der Notaufnahme so schnell in der Tasche hatte verschwinden lassen.
    »Ein Beschleuniger. Er findet heraus, welche Zellen verletzt sind, und treibt ihre Reparaturmechanismen zu Höchstgeschwindigkeit an. Die Zellen an deinem Schlüsselbein«, erklärte er weiter, »werden in ihrem Alterungsprozess den anderen Zellen deines Körpers immer um ein paar Wochen voraus sein. Du bekommst vielleicht dort eher Falten. Oder wenn du einmal eine sehr, sehr alte Frau mit unzähligen Nachkommen bist, verfärbt sich die Haut dort leicht oder ist eine Spur schlaffer.«
    Er fuhr mit den Fingern von ihrem Schlüsselbein zum Hals und weiter, bis er seine Hand in ihrem Haar vergraben hatte. Erzog sie an sich, und sie spiegelte instinktiv seine Bewegung, hob die Arme und legte sie ihm um den Hals. Sie musste sich dazu auf die Zehenspitzen stellen und fühlte, wie sich ihr weicher Körper an seinen muskulösen harten anschmiegte. Sein dunkles Haar, das ihm wirr in die Stirn fiel, war hinten kurz geschnitten und um die Ohren knapp geschoren. Sie liebte den Kontrast seiner Haut, rau auf den Wangen und am Kinn, weil er sich nicht rasiert hatte, und seidenzart im Nacken und an den Ohrläppchen.
    Zum ersten Mal bemerkte sie, dass er hinter dem linken Ohr eine Narbe hatte. Es war ein kleiner, glatter Kreis, kaum größer als ein Hemdknopf. Es war eine vollkommene Narbe, seltsam eigentlich, denn Narben waren gewöhnlich alles andere als vollkommen. Zackig, schartig, hässlich, entzündet, so sah sonst die Welt der Narben aus. Diese hier schien beinahe absichtlich und mit großem handwerklichem Geschick zugefügt worden zu sein.
    »David, was ist das?« Ihre Fingerspitzen ruhten sanft auf der Stelle.
    »Darüber muss ich mit dir sprechen, Liza.«
    Er ging zum Sofa zurück und zog sie mit sich. Seine grauen Augen, in denen sonst bernsteinfarbene Pünktchen funkelten, schienen trüb, wie bewölkt.
    »Was stimmt nicht?« Sie berührte seine Wange, und die Macht seiner Gedanken versengte ihr beinahe die Handfläche.
    »Alles. Alles, was ich getan habe, stimmt nicht. Ich wollte dich nie so nah an mich heranlassen, Liza. Aber in dieser ersten Nacht, damals im Behandlungsraum der Notaufnahme, habe ich geglaubt, dass du auch von Omura stammst, weil wir dort so viele Rothaarige haben und es hier beinahe gar keine gibt. Und selbst nachdem ich begriffen hatte, dass du nicht von dort stammst,schien es mir bereits so, als wärst du ein Teil von mir. Es war irgendwas an deinen Gesten, die Art, wie du dich bewegst und dich hältst. Es war, als würde ich jemanden wiedererkennen, den ich mag und lange nicht gesehen habe. Es war falsch, dich auch nur ein einziges Mal wiederzusehen – und es war gefährlich. Ich wusste, dass ich es nicht noch einmal zulassen durfte. Ich habe einen Pakt mit mir abgeschlossen, dass ich dich beobachten könnte und du nichts davon erfahren müsstest. Dass ich dich irgendwie im Auge behalten würde. Dann kam die erste Schockbombe, und ich konnte an nichts anderes mehr denken als an dich und daran, ob du in Sicherheit bist. Ich war nicht sehr weit von der Explosion entfernt. Es war ziemlich leicht, jemanden zu finden, der in einem Krankenhaus untersucht werden musste. Und es war auch ziemlich leicht, mir einzureden, dass ich mich nur als guter Samariter betätigte. Aber es ging mir nur um dich, Liza. Ich musste mich davon überzeugen, dass du in Sicherheit warst. Es ist mir immer nur um dich gegangen.«
    Sie lächelte leise. »Damit habe ich kein Problem.«
    »Omura schon. Erinnerst du dich daran, dass ich dir einmal erzählt habe, dass unsere außerordentliche Effizienz dazu geführt hat, dass die meisten Menschen sich dagegen entscheiden, Kinder zu bekommen, und daher unsere Bevölkerung schrumpft? Es ist sogar noch drastischer. Wir haben nicht mehr genügend Menschen, um unsere Zivilisation überhaupt am Leben zu erhalten. Nicht genug Arbeiter, um alle Aufgaben zu erledigen. Nicht genug junge Leute, um die Älteren zu unterstützen, die nicht mehr arbeiten können. Vor etwa einer Generation begannen die ersten Unruhen im Kampf um Lebensmittel und es fehlte an grundlegenden Dingen. Man steht zum Beispiel fünfundzwanzig Jahre auf der

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