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Liebe braucht keinen Ort

Liebe braucht keinen Ort

Titel: Liebe braucht keinen Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Waggoner
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Leidenschaft. Jede der Figuren war so sorgfältig gestaltet, unterschied sich in ihrem Ausdruck so sehr von den anderen, dass Liza jede einzelne in einer Menschenmenge wiedererkannt hätte. Es waren Porträts von Menschen, die vor über vierzehnhundert Jahren gelebt hatten, und doch spiegelten ihre Mienen Lizas eigene Hoffnung undVerzweiflung so vollkommen wider, dass sie sich mit ihnen verbunden fühlte, eine weitere Tänzerin in dieser endlosen Kette.
    Er hatte auf jede mögliche Weise versucht, sie zu vergessen. Als sich die Möglichkeit bot, sich ins Forschungsteam von Prambanan versetzen zu lassen, hatte er sich sofort freiwillig gemeldet und dann den gesamten Rest des Nachmittags das Gefühl gehabt, als hätte er sich den eigenen Arm abgehackt. Um überhaupt ins Flugzeug einsteigen zu können, hatte er sich eine Fantasiegeschichte einzureden versucht: Er würde in wenigen Wochen nach London zurückkehren und sie von Weitem beobachten, ohne es sie je wissen zu lassen.
    Er war sich nicht einmal sicher, warum er sie so liebte, außer dass er sich, wenn er mit ihr zusammen war, wie genau der Mensch fühlte, der er immer hatte sein wollen. Er spürte nicht mehr die Last der Erwartungen seiner Familie, hatte nicht mehr das Gefühl, dass er versuchte, die richtigen Worte zu finden, um jemanden zu beeindrucken, der ihm stets ein Rätsel bleiben würde. Mit Liza gab es keine Rätsel. Sie war sein Zuhause, und er wusste, dass sie füreinander bestimmt waren.
    Nur dass sie niemals zusammen sein konnten. Er hatte sie belogen, immer und immer wieder. Er hatte gelogen, als er ihr erzählt hatte, wer er war, warum er hier war und warum er ihr niemals die Wahrheit sagen konnte. Er hatte sie angelogen, die so stark und doch so verletzlich war, die ihr ganzes Geld ausgegeben hatte, um ihm das Adleramulett zu kaufen, und dann zu schüchtern gewesen war, um es ihm zu geben. Er würde es sich niemals verzeihen, wenn er sie nicht vor den grausamen Wahrheiten schützen könnte, die sie umgaben, vor den Wahrheiten, derer sie sich nicht einmal bewusst war. Er hatte nicht das Recht, sich noch mehr in ihr Leben einzumischen.
    Und doch füllte sie selbst in so großer Entfernung den gesamten Raum rings um ihn aus. Der Duft der Blumen und der Zitrusfrüchte, der zu ihm herüberwehte, erinnerte ihn an sie. Wenn der Wind sich drehte und die warme, feuchte Luft vom Meer brachte, dachte er an den gemeinsamen Tag in Brighton und daran, wie sie einander am Ufer des dunklen Meeres geküsst hatten. Die Stimmen der amerikanischen Touristen, die zu ihm herüberwehten, während er arbeitete, waren Lizas Stimme so ähnlich, dass er seine Arbeit niederlegte und zuhörte und sich wünschte, er würde sie in diesem Moment tatsächlich hören. Als er also eines Tages den kleinen, stickigen Raum mit den Manuskripten, in dem er arbeitete, verließ, um eine Pause zu machen, und am Ende einer der langen, grasbewachsenen Alleen zwischen den kleinen Tempeln den Rücken eines Mädchens mit roten Haaren erblickte, erschien es ihm vollkommen natürlich, dass sie es sein würde.
    Liza hatte sich schon beinahe entschlossen, zu Jasmines Wohnung zurückzukehren und das Wiedersehen mit David auf den nächsten Tag zu verschieben. Ihre Gefühle waren verworren und sie litt immer noch unter Jetlag. Doch plötzlich spürte sie seine Wärme und hörte den Ruf seiner Gedanken um sich herum. Sie drehte sich um, und da stand er.
    »Liza?«
    Sie hatte sich Hunderte von Dingen zurechtgelegt, die sie ihm sagen wollte, alles zwischen Liebe und Wut. Aber nun, da er ihr gegenüberstand, fehlten ihr die Worte. Sie standen da und starrten einander an, bis er die Arme nach ihr ausstreckte, sie umarmte und fest an sich drückte.
    »Ich weiß«, flüsterte er. »Ich weiß.«
    Später würden sie sich nie genau daran erinnern können, wassie zueinander gesagt hatten, was sie mit Worten und was sie wortlos ausgedrückt hatten. Sie erinnerte sich nur, dass sie einander nach der ersten Berührung nicht mehr losgelassen hatten und dass sie in seiner Umarmung, wie schon so oft, den wilden Sturm der Gefühle spürte, der ihn fester umschlungen hielt, als sie es je könnte.
    Irgendwann musste sie ihn gefragt haben, wie er sie so hatte verlassen können, ohne eine Nachricht, ohne die Absicht, je wiederzukommen, denn sie erinnerte sich daran, dass er geantwortet hatte: »Es war die einzige Möglichkeit, wie ich dich überhaupt verlassen konnte, Liza. Bleiben wäre zu gefährlich gewesen, selbst

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