Liebe braucht keinen Ort
früher, als Liza so alt gewesen war wie Bex heute.
Bex konnte am Morgen nicht mit ihnen zum Bahnhof kommen, weil sie eine Online-Redaktionsbesprechung hatte, und Lizas Vater, der eigentlich hatte fahren wollen, litt unter schrecklicher Migräne. So warteten schließlich nur Liza und ihre Mutter auf den Zug.
»Ich hoffe, Dad geht es gut«, sorgte sich Liza.
»Sicher bald wieder. Er kann es nur nicht ertragen, dich gehen zu sehen. Er hat sich wirklich ungeheuer gefreut, dass du hier warst. Und du hast ihm wirklich gut getan, Liza. In letzter Zeit war er oft so … «
»Ich weiß, Mom. Hast du gesehen, wie toll er das in Bex’ Zimmer gemacht hat? Die eingebauten Schränke? Er versteht wirklich etwas davon. So großartige Handwerkskunst findet man selten. Vielleicht könnte er jetzt, da sich die Neo-Hippies aufgelöst haben … na ja, ich wette, jede Menge Leute in der Gegend hier würden ihn gern bitten, für sie so maßgeschneiderte Sachen zu bauen.«
»Was für eine tolle Idee, Liza.« Ihre Mutter legte eine Pause ein. »Ich wünschte mir, wir würden dich öfter sehen. Du bist im letzten Jahr so erwachsen geworden, und jetzt machst du dich auf den Weg, um diesen Jungen zu besuchen.«
Lizas Augen weiteten sich. »Das weißt du?«
»Na ja, nicht mit Sicherheit. Jedenfalls bis jetzt nicht. Ich hatte da nur so eine Ahnung. Indonesien ist weit weg, ein bisschen sehr weit, nur um Jasmine zu besuchen. Und so plötzlich. Es ist der Junge, der dich an deinem Geburtstag ausgeführt hat, nicht? Und der nach den Bombenattentaten geholfen hat? Schau nichtso überrascht. Jede Mutter war früher auch mal ein verliebtes Mädchen, weißt du, sogar ich.«
»Ich wünschte so sehr, dass ihr ihn kennenlernen könntet, aber alles ist im Augenblick so ungewiss. Er hat sich nach Indonesien versetzen lassen, weil er glaubt, wir sollten einander nicht mehr sehen, denn seine Zeit hier ist beinahe vorüber und er muss auf seinen Heimatplaneten zurückkehren.«
»Und du reist hin, um ihm das auszureden?«
»Ich … ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich ihn noch mal sehen muss. Ich muss sicher sein, dass es wirklich das ist, was er will, und dass er mich nicht nur vor irgendwas schützen will.« Sie unterbrach sich und schaute ihrer Mutter ins Gesicht. »Findest du das dumm? Ich meine, ich weiß, dass ich noch nie vorher einen Freund hatte, und es muss dir vorkommen, als hätte ich mich da Hals über Kopf in was hineingestürzt und … «
Ihre Mutter umarmte sie rasch und sehr fest. Die grollenden Schwingungen unter ihren Füßen verkündeten, dass der Vactrain schon sehr bald ankommen würde. »Ich glaube nicht, dass du dich Hals über Kopf in was hineingestürzt hast, Liza. Du hättest so viele feste Freunde haben können, aber du hattest immer andere Dinge im Kopf. Wenn also dieser Junge dein Herz gewonnen hat, muss er was ganz Besonderes sein. Und ich fände es schrecklich, wenn du durchs Leben gehen würdest, ohne so etwas zu haben. Jetzt musst du aber los, sonst verpasst du noch deinen Zug. Und mach dir keine Sorgen um deinen Vater. Alles wird gut.«
»Auf Wiedersehen, Mom. Ich schreibe euch eine Mail, wenn ich angekommen bin. Ich hab euch lieb.« Als sie ihre Mutter zum Abschied umarmte, bemerkte Liza plötzlich, dass sie jetzt die größere war.
Kapitel 14
Der Grüne Buddha
Je näher Liza ihrem Ziel kam, desto mehr Zweifel kamen ihr. Auf dem vertrauten Bahnsteig des Vactrain zu Hause zu stehen und zu einem Abenteuer in einem unbekannten Land aufzubrechen, das war eine Sache. Tatsächlich in der Ferne zu
sein
und sich auf einer Mission zu befinden, die zunehmend ungewisser schien, war dagegen etwas völlig anderes. Wenn David sie wirklich mochte, wäre er dann nicht dageblieben? Im Flugzeug hoch über dem Pazifik gab es viele Augenblicke, in denen sich ihre Hand fest um die Halskette mit Neptuns Tränen schloss und in denen sie Mrs Harts Stimme hörte, die ihr sagte, sie solle ihrem Herzen folgen.
Jasmine und ihr Freund Rajasa holten Liza am Flughafen ab, obwohl Liza nie begreifen würde, wie die beiden sie in diesem dicht gedrängten Menschenmeer gefunden hatten. Rajasa war so attraktiv wie auf dem Hologramm, das Jasmine ihr geschickt hatte, und dazu war er noch charmant, plauderte unbefangen mit ihr, trug ihr Gepäck und schaffte es sogar, Plätze in einemAirbus für sie zu finden, der so voll war, dass einige Passagiere aussteigen mussten, ehe er abheben konnte.
»Ist das schon die Rush Hour?«,
Weitere Kostenlose Bücher