Liebe braucht keinen Ort
aber Mom hat gemeint, wir müssten es für dich frei halten.«
»Nun, jetzt braucht ihr es nicht mehr für mich frei zu halten. Warum richten wir es nicht für dich her, während ich hier bin?«
Bex’ Augen leuchteten. »Können wir es auch anstreichen?«
»Klar. Wir können morgen Farbe kaufen.«
»Aber Mom und Dad … «
»Mach dir keine Sorgen wegen Mom und Dad. Ich spreche mit ihnen, das geht in Ordnung.« Liza grinste. »Fang schon mal an, über Farben nachzudenken.«
Im vergangenen Jahr hatte Bex ihre formlose, ein wenig an eine Bohne erinnernde Figur verloren. Ihre Beine waren länger geworden, und ihr leuchtend rotes Haar war dunkler und glänzender geworden, genau wie bei Liza im gleichen Alter.
Sie wartete, bis Bex ins Bett gegangen war, ehe sie das Themabei ihren Eltern ansprach. »Es ist Bex gegenüber einfach nicht fair«, begann sie. »Es kommt mir so vor, als würdet ihr meinen, dass mir das Zimmer mehr zusteht, obwohl ich gar nicht mehr hier bin.«
»Aber es ist doch dein Zimmer«, sagte ihre Mutter. »Was ist, wenn du wiederkommst und hier leben willst? Es käme mir vor, als hätten wir dich rausgeschmissen.«
Liza hatte nicht den Mut, ihren Eltern zu sagen, dass sie sich ziemlich sicher war, dass ihre Zukunft, wo immer sie sie hintrug, nicht in diesem Haus liegen würde. »Falls ich zurückkomme«, sagte sie, »dann machen wir, was wir als Kinder gemacht haben. Wir losen darum.«
Sie sah, dass ihre Eltern von diesen Argumenten nicht überzeugt waren. Wann hatte all das angefangen? Die beiden verhielten sich so, als sei jede Veränderung eine Bedrohung. Vorhin hatte ihr Vater erzählt, dass die Neo-Hippie-Gruppe, zu der sie so viele Jahre lang gehört hatten, sich aufgelöst hatte. Ohne dass er es aussprach, konnte Liza sehen, dass sich sein Glaube an die Außerirdischen mit der Zeit in große Enttäuschung verwandelt hatte. Kein Wunder, dass er so verloren schien! Liza hatte, als sie noch zu Hause wohnte, nicht viele feste Freunde gehabt – eigentlich keinen. Sie wollte ihren Eltern mehr von David erzählen. Sie hatte sogar geglaubt, dass die Geschichte, wie David während der Terroranschläge geholfen hatte, den Glauben ihres Vaters an die Außerirdischen wiederherstellen könnte, aber es schien ihm gleichgültig zu sein.
»Warum machen wir nicht ein Familienprojekt daraus, wie wir das früher gemacht haben?«, fragte sie. »Ich bin drei Tage hier, und wenn wir alle mithelfen, können wir die Räume tauschen und Bex ein wirklich ganz besonderes Zimmer einrichten.«
Und genau das taten sie während der nächsten Tage. Ihr Vaterschien all seine Enttäuschungen abzuschütteln und stürzte sich auf die Aufgabe, für Bex eine Bildschirmwand zu bauen. Lizas kleine Schwester hatte sich nämlich zu einem Technik-Freak entwickelt und hatte ein weltweites Nachrichtennetzwerk für Studenten eingerichtet. Liza und ihre Mutter trugen Möbel hin und her, während Bex verschiedene Schattierungen von blauer Leuchtfarbe auf den Wänden ausprobierte.
»Ich möchte etwas, das mich, wenn ich meine Brille trage, nicht stört«, erklärte sie.
»Brille?«, fragte Liza überrascht. Seit über hundertfünfzig Jahren trugen Leute keine Brillen mehr. »Ist das ein neuer Trend?«
»Nein, diese hier«, sagte Bex und reichte Liza etwas, das wie das Headset für ein Videospiel aussah, aber mit einem besonders großen Augenvisier versehen war. »Setz die mal auf.«
Liza setzte die Brille auf, und sofort war ihr Gesichtsfeld von etwa einhundert verschiedenen Bildschirmen ausgefüllt. »Aaaah! Ich komme mir vor wie eine Fliege! Hilfe – wie schaffe ich es, nur einen einzigen von denen anzuschauen?«
Bex tippte ein paar Mal auf den Rand des Visiers, und das Gesichtsfeld wurde kleiner und zeigte nur noch den oberen rechten Quadranten. »Wenn du einen bestimmten Bildschirm anschauen willst, konzentrierst du dich nur auf den, oder du ziehst die Handschuhe an, dann kannst du durch Berührung hinkommen.«
»Nein danke«, sagte Liza und zog sich das Headset vom Kopf. »Ich glaube, solche Dinge überlasse ich lieber dir. Was habe ich mir da überhaupt angeschaut?«
»Oh, das sind nur Nachrichtensendungen, für die ich mich interessiere.«
»Ich bin beeindruckt«, sagte Liza und bemerkte, wie Bex vor Freude errötete.
Am Abend vor Lizas Abreise waren sie mit dem Zimmer fertig und feierten mit selbst gebackener Pizza. Sie legten verrückte Mosaike mit den verschiedenen Belägen auf den Pizzaboden, genau wie
Weitere Kostenlose Bücher