Liebe bringt die höchsten Zinsen
Wirkung voll entfacht, dachte er. Im Dunkeln zog er sich aus, rollte sich in die Wolldecke und legte sich auf die Seite.
In diesem Augenblick lallte es aus Stefanies Ecke: „Wenn es nicht anders geht, können Sie ins Ehebett kommen, aber ohne Hintergedanken. Und ich will Sie nicht bemerken. Und bilden Sie sich bloß nichts darauf ein!"
„Gerne, ohne Hintergedanken und ohne meine Hälfte zu verlassen."
Er stand wieder auf, tastete sich im Dunkeln zum Ehebett und ließ sich auf einer Hälfte nieder.
„Du hast ja keine Decke", hörte er Stefanie mitleidig sagen, die wieder ins „Du" verfallen war. „Hier, ein Zipfel! Mehr gibt es nicht."
Eigentlich ein netter Kerl, dieser Daniel, sagte sie sich und ein Hauch von Mitleid schwang mit: Der Ärmste – jetzt friert er wahrscheinlich. Aber das geschieht ihm recht: mich einfach hier zu verstecken...
Eigentlich könnte sie ein Stückchen rücken, dachte Daniel, dann würde die Decke für uns beide reichen. Aber ich müsste sie ihr wohl schon wegziehen...
Er bemerkte nicht, dass er seine Gedanken leise ausgesprochen hatte.
„Unterstehen Sie sich", drohte Stefanie und fügte im Befehlston hinzu: „Gute Nacht" – ein wenig zu laut und ein wenig zu streng: ein Wunsch, der wie ein Befehl durchs Schlafzimmer hallte.
„Gute Nacht! Und schlaf' auch schön."
Doch beide konnten trotz des Alkohols keinen Schlaf finden.
Stefanie ergriff schließlich wieder das Wort: „Wenn Sie frieren, können Sie zu mir rüberkommen, aber mit dem Rücken zu mir. Und bilden Sie sich bloß nichts darauf ein."
„Das ist sehr nett von dir." Daniel rückte vorsichtig - und mit dem Rücken zuerst - in Stefanies Betthälfte. Überrascht stellte er fest, dass Stefanie ihn mit ihrem Bettzeug bedeckte: „Gute Nacht, Herr Journalist."
„Gute Nacht, Frau Antiquitätenhändlerin."
„Warum sagst du nicht ‚Bankbesitzerin'?"
„Weil dein eigentlicher Beruf mir wichtiger ist."
Schweigen auf Stefanies Seite. Über diese Begründung wollte
sie noch ganz genau nachdenken.
Der Schlaf ersparte es ihr.
Als Daniel gerade einschlafen wollte, nahm er wahr, wie sie im Schlaf ihren Arm um ihn legte und sich ganz eng an seinen Rücken kuschelte. Verwirrt spürte er, dass sie völlig entkleidet war. Wohlige Schauer durchrieselten ihn, als ihre warme Haut seinen nackten Rücken berührte. Schon lange hatte er kein derart wunderbares Gefühl verspürt.
Wenig später hörte er sie tief und selig atmen.
Als er eine Stunde später aufwachte, weil er einen ungewohnten, aber angenehmen Druck auf seinem Oberkörper verspürte, stellte er fest, dass Stefanie ihren nackten Arm inzwischen um seine Taille gelegt hatte.
Er musste, wollte er sein Versprechen nicht brechen, schnell an etwas anderes denken als an die nackte Frau und ihre Hand.
.
Wirklich verrückt, diese Deutsche, dachte er. Aber sie ist eine ganz besondere Person. Welch ein Glück, dass ich sie kennengelernt habe.
Wenn ich Bertone treffe, werde ich mich bei ihm bedanken...
34. Der Ruf der Berge
Kathi hatte den Sonntag mit einem Ausflug in die Berge verbracht. Es war gleichzeitig eine kurze Reise in die Vergangenheit ihrer Mutter, genauer gesagt: nach Schönau am Königssee, dem Geburtsort von Sabine Schumann. Wenn ich schon in Bayern bin, dann will ich wenigstens wissen, woher Mami stammt, überlegte sie. Vielleicht verstehe ich dann auch, warum sie nie eine Reise in den Süden unternommen hat. Merkwürdig ist das schon; aber wer weiß, vielleicht hatte sie gute Gründe?
Kathi war mit dem alten 3er-BMW, der in der Garage neben Waldenbergs Oldtimer parkte und offensichtlich seit Jahren nicht mehr bewegt worden war, nach Berchtesgaden gefahren: vorbei an saftig-grünen Weiden und durch kleine Ortschaften mit blitzsauberen Fachwerkhäusern. Die Balkone trugen Blumenkästen mit einer überquellenden Pracht leuchtend roter Geranien; die Bürgersteige waren frisch gefegt.
Kathi lenkte den Wagen zum Königssee. Sie parkte an der Gondelbahn zum Jenner und bestieg eine der kleinen Kabinen, die mit erwartungsvollen Wanderern den Berg hinaufschwebten.
Stefanies Schwester war begeistert. Noch nie zuvor war sie mit einer Seilbahn gefahren. Weit unter ihr erstreckten sich Almwiesen und grasten Kühe mit bunten Glocken am Hals, deren Klang bis zu Kathi drang. Die Gondel schaukelte
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