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Liebe bringt die höchsten Zinsen

Liebe bringt die höchsten Zinsen

Titel: Liebe bringt die höchsten Zinsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon F. Freiheit
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über Tannen und Bergkiefern und ließ die Häuser im Tal zu Miniaturen schrumpfen.
       Welch grandioser Blick auf die ursprüngliche, unberührte Natur.

       Die Bahn führte sie hinauf zur Bergstation auf über 1800 Meter Höhe. Von dort aus schlängelte sich ein Fußweg zum
    1874 Meter hohen Gipfel des Jenner empor. Sie entschied sich für den Aufstieg.
       Fast euphorisch folgte Kathi dem Wanderweg. Nach 20 Minuten hatte sie den Aussichtspunkt am Gipfel erreicht. Ein faszinierendes Panorama tat sich auf: steil aufragende Fels wände und dunkle Wälder. Und ganz unten im Tal der glitzernde Königssee – ein grüner Smaragd der Natur.
       Einen schöneren Anblick kann ich mir nicht vorstellen, dachte Kathi. Warum nur ist Mutter nie mit mir hierher gefahren? Sie kannte doch die Pracht der Berge, diese wildromantische Landschaft? Ob sie auch auf dieser Bank hier gesessen hat?
       Kathi war ihrer Mutter in diesem Augenblick so nahe, wie eine Tochter es nur sein konnte.
       Ihr Blick fiel auf das gewaltige Massiv des großen Watzmann mit seinen gigantischen steinernen Wänden: 2713 Meter hoch – der zweithöchste Berg Deutschlands, geliebt und gefürchtet von Bergsteigern.
       Wirklich wie eine Familie von Felsspitzen, schoss es Kathi durch den Kopf.
       Als sie in einem Reiseführer blätterte, den sie unten im Tal erstanden hatte, stieß sie auf eine Sage, die sich um das Bergmassiv rankte: Die schauerliche Geschichte des gefürchteten Königs Waze, der mit seiner Frau und seinen Kindern arme Bergbauern in Angst und Schrecken versetzt hatte. Als er bei einem Jagdausflug eine der drangsalierten und ausgeplünderten Familien mit den Hufen seines Pferdes zu Boden trampelte, verfluchte ihn eine verzweifelte Bäuerin im Angesicht des Todes: Sie kniete nieder und flehte Gott an, den verhassten Unterdrücker zu bestrafen. Die inbrünstige Bitte der armen Frau wurde erhört: Aus einem Felsspalt schossen gewaltige Flammen empor und die herzlose Herscherfamilie wurde in die schroffen Gesteinspitzen verwandelt, die charakteristisch für den Wazmann sind.
       Kathi schauderte, als sie ihren Blick von der Sage im Büchlein weg und auf das Bergmassiv lenkte.
       Es war ihre erste Wanderung in den Alpen. Aufgeregt folgte sie den anderen Ausflüglern: Vielleicht würde sie sogar eine Gemse sehen? Nur schwer konnte sie sich von dem unvergesslichen Ausblick losreißen, um die Route hinab zur Mittelstation zu wählen.
       Sie wählte den Königsbachweg. Am Wegesrand blühten Enzian und Edelweiß. Die Luft war klar, die Berge in goldenes Sonnenlicht getaucht. Immer wieder machte sie Rast und bewunderte die Natur.
       Dann sah und hörte sie ihn: Hoch oben über Kathi kreiste ein Steinadler. Deutlich war seine Rufen zu vernehmen: „Hiäh, hiäh." Majestätisch zog er mit seinen mehr als zwei Meter weit gespannten Schwingen seine Bahn. Bewegungslos beobachtete Kathi, wie elegant und anmutig der mächtige Greifvogel kreiste – bis er plötzlich wie ein Pfeil abtauchte und aus ihrem Blick verschwand.
       Hoffentlich holt er sich kein Reh oder eine Gams, wünschte Kathi.

       Der Abstieg vom Jenner führte über einen Forstweg mit steilen Etappen. Kathi hatte sich überschätzt: Ihr Atem wurde kürzer, die Füße schwollen in ihren Turnschuhen an und sie spürte den ersten Schmerz ihrer Muskeln. Neidvoll blickte sie auf die anderen Wanderer, die knöchelhohe lederne Bergschuhe trugen und sie leichtfüßig auf dem Schotterweg überholten.

       Nach zwei Stunden des Abstiegs lag vor ihr in 1200 Meter Höhe die Königsbachalm. Die Berghütte bot eine bayerische Brotzeit und müden Wanderern Rast und neue Kräfte.
       Kathi suchte einen Platz auf der Terrasse. Sie hätte keinen Meter mehr gehen können. Hungrig und völlig übermüdet ließ sie sich auf einer Holzbank nieder und bestellte ein kräftiges Schinkenbrot, dazu ein Radler. Noch nie hatte das Gemisch von Bier und Zitronenlimonade sie so sehr erfrischt, wie hier auf der Alm.
       Beeindruckend der überwältigende Ausblick! Welche Ruhe die majestätischen Berge ausstrahlten! Jetzt verstand sie, warum ihre Mutter immer Heimweh nach Bayern hatte und auch im Süden Deutschlands beerdigt werden wollte. Kathi nahm sich vor, den Wunsch ihrer Mutter zu erfüllen, sobald Stefanie wieder da wäre.

    Sie aß das würzige Bauernbrot bis auf die letzte Kruste und brach zur Gondelbahn auf. Kathi musste, ob sie wollte oder nicht, losmarschieren.

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