Liebe bringt die höchsten Zinsen
Familienmitglieder heran. Dicht gedrängt wartete eine unübersehbare Ansammlung von Menschen auf sie: Männer und Frauen jeden Alters sowie eine Schar von Kindern. Sie klatschten und jubelten, als Stefanie erschien.
„Das ist verrückt", dachte sie sich, „ich glaub', ich bin im falschen Film..."
Ivan Ademi und Daniel, sein Neffe, strahlten sie so unschuldig an, als hätten nicht sie das ganze Missverständnis zu verantworten. Sie warf ihnen einen hilflosen Blick zu, als Tereza mit einem neuen Gläschen auf sie zutrat. „Auf dein Wohl!"
„Auf dein Wohl", echote es fast hundertfach und Stefanie musste wohl oder übel lachen.
Daniel war neben sie getreten und hauchte ihr zu: „Vorsicht, das Zeug ist heimtückisch. Er schmeckt wie Sünde und dringt unbemerkt ins Blut."
„Das müssen Sie mir nicht sagen" zischte sie leise zurück, „ich weiß selbst, was ich tue, da brauche ich keinen Aufpasser. Und Sie schon gar nicht..."
„Dich nicht - heißt das unter Verlobten."
Trotzig hob sie das Glas, kippte den Inhalt in einem Zug herunter und blickte Daniel herausfordernd an. Als er nicht reagierte, ließ sie sich unter dem Jubel der Anwesenden sofort nachschenken.
Die ersten Gesichter verschwammen bereits vor ihren Augen, als Mutter Tereza ihr die Familie vorstellte:
Zuerst ihre Tochter Alisa, 21 Jahre alt, schlank und noch ledig: „Unser Nachzügler, mit ihr hatten wir überhaupt nicht mehr gerechnet. Aber jetzt sind wir glücklich, dass wir sie haben."
Tereza fügte – wenig ernst gemeint - hinzu: „Sie sorgt dafür, dass die ganze Familie toll frisiert aus dem Hause geht."
Alisa winkte Stefanie cool zu: „Hallo" und wandte sich ab.
Tereza versuchte, die distanzierte Begrüßung zu entschuldigen: „Sie ist manchmal ein wenig frech und aufmüpfig. Von mir hat sie das nicht. Ihr fehlt einfach ein Ehemann."
Sie beugte sich so weit zu Stefanie, dass nur sie es hören konnte: „Schuld daran ist nur ihre Freundin Zita, eine Zigeunerin. Ein nettes Mädchen, aber sie legt Karten." Und dabei drückte Terezas Gesichtsausdruck tiefste Abneigung aus. „Sie hat ihr vorausgesagt, dass sie erst mit 30 einen Mann findet. So ein Quatsch."
Dann trat ihre andere Tochter nach vorne: Elena, Obsthändlerin, eine kleingewachsene Person, deren Umfang sichtbar Zeugnis ablegte von der unwiderstehlichen kroatischen Küche. Elenas Familie besaß Apfelbäume und einen Olivenhain – und eine funktionierende Aufgabenteilung: Ihr Mann Nikola fischte und ließ die Bäume wachsen, seine Frau verkaufte die Ernte. Einmal in der Woche fuhr sie mit dem Obst nach Zagreb, um es dort auf dem Markt anzubieten. Die Fahrt war müheselig, die Kosten waren hoch – aber es lohnte sich.
Anschließend traf Stefanie auf Elenas Sohn und Terezas einzigen Enkel, den 14-jährigen Mario. Mit dem Stolz einer glücklichen Großmutter schwärmte Tereza: „Mario ist wirklich klug und begabt. Ein gewitztes Kerlchen, vielleicht sogar ein Genie."
„Ein Genie? Wirklich ein Genie?"
„An manchen Tagen sitzt er bis tief in die Nacht an seinem Computer."
„Schaut er verbotene Videos?"
„Die interessieren ihn noch nicht. Er schaut, was Softwarefirmen falsch gemacht haben."
„Und das macht ihm Spaß?"
„Damit bessert er sein Taschengeld auf: Wenn er Schwachstellen in neuen Betriebssystemen findet, meldet er die an die Softwarefirmen. Die schließen dann die Lücken in ihren Programmen."
„Und das macht er ganz alleine?" Stefanie war beeindruckt.
„Nein, zusammen mit ein paar Freunden – und das ist ein Problem."
Die Frau schaute sich vorsichtig um, als wollte sie sich vergewissern, dass niemand zuhört.
„Er ist ein herzensgutes Kind. Aber seine Freunde sind leider ein ganz, ganz schlechter Umgang für meinen lieben Enkel Mario."
„Wieso? Klauen die Jungs?"
„Nein, nein! Das nicht. Sie sind Mitglied in einem Computer- Club."
„Ist das in Kroatien verboten?"
„Das nicht, aber ...", sie beugte sich zu Stefanie. Leise und verschwörerisch vertraute sie ihr an: „... manchmal versetzen sie die ganze Welt in Aufruhr mit ihren Programmen. Nur als Mutprobe. Das darf mein Mann als Polizist gar nicht mitkriegen, sonst müsste er seinen eigenen Enkel einsperren."
Nachdenklich fügte sie hinzu: „Mario könnte etwas ganz Großes werden, wenn er nicht in diesem
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