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LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)

LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)

Titel: LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Fitz
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schrie sein Vater ihn an. Packte den kleinen Jungen an dem dünnen Arm und zerrte ihn hinter sich her, sodass die kleinen Füßchen über den Boden schleiften. Dann nahm er das einzige Buch, das sie im Haus hatten, nämlich die Bibel, und ging mit seinem Sohn, der vor Schreck das Atmen vergessen hatte, in den Keller. Seine Frau stellte sich ihm quer in den Weg, breitete die Arme aus und weinte kopfschüttelnd. „Bitte, Peter, er kann wirklich lesen.“
    „Ach ja“, erwiderte er barsch , „dann wird er ab heute genug Zeit dafür haben. Hier“, Peter hielt das schwarze Buch in der Hand und schlug mit der Rückseite heftig auf den Kopf des Jungen ein. Sein Sohn winselte wie ein kleiner Hund und schaute mit seinen blauen, rot unterlaufenen, vor Angst weit aufgerissenen Augen seine Mutter an. Er flehte sie mit seinem kindlichen Blick an, ihm zu helfen, alle Versuche waren vergebens, hier hatte nur sein Vater das Sagen. Die Mutter trat gegen ihren Willen zaghaft zur Seite.
    „ Ein Kind mit drei kann nicht lesen, spielen soll er, nicht lesen. Es ist nicht normal. Schau ihn dir an, er ist nicht einmal im Stande, nachts aufzustehen und aufs Klo zu gehen, stattdessen pisst unser Schlaumeier sich einfach voll. Aber lesen kann er, was?“ Er stieß seine Frau vollends grob aus dem Weg, sie stolperte und landete auf ihrem Hinterteil. 
    Das Licht wurde wieder blasser, das Herz schlug heftig gegen den Brustkorb. Gabriel wartete auf das nächste Licht. So nannte er die kurzen Lebensabschnitte, die er in seinem meditativen Zustand wieder und wieder durchlebte, er suchte darin nach einer Antwort auf die Frage: „Warum ich?“
     
     
    *****
     
     
    Das zerfledderte Heft raschelte leise beim Umblättern, eine junge Hand fuhr voller Erwartung über die von Hand geschriebenen Zeilen.
    „Hier steht, es gibt nur einen Gott, und nur er ist allmächtig. Gott hat viele Namen, doch er ist immer derselbe.“ Gregor zeigte auf einen Satz, den Lisa und Michael nicht lesen konnten. „Es ist hebräisch“, klärte er seine Zuhörer auf. „Ist ein Hobby von mir“, sagte er entschuldigend. „Ich kann vier Sprachen.“ Nicht ohne Stolz klangen die leisen vier Worte aus seinem Mund. 
    „Was noch?“, drängelte ihn sein Onkel.
    „Die Menschen müssen an ihn glauben, und nicht an die Selbsternannten.“ Er schaute zuerst Michael, dann Lisa an. Beide schüttelten resigniert mit dem Kopf und zuckten mit den Schultern.
     
     
    **** *
     
     
    Der nackte Körper zitterte im Mondlicht und wurde immer wieder von grellen Blitzen erleuchtet. Das Unwetter trieb sein Unwesen, genauso intensiv war auch der Traum. Gabriel nahm dieses Mal alles, was er in seinem Traum durchlebte, noch viel intensiver auf als schon viele Male zuvor.
    „Ich lasse sogar das Licht an“, sprach der nicht ganz nüchterne Vater, als er seinen Sohn gegen die Wand schleuderte und die Gittertür zuwarf. Die leicht verzogene Tür knallte scheppernd gegen den Rahmen, der alte Riegel des Schlosses schnappte laut zu. „Ach ja, hier ist etwas, womit du dich beschäftigen solltest.“ Das dicke Buch flog wie ein schwarzer Vogel mit weißen Federn auf den Jungen zu und traf ihn heftig im Gesicht. Christian, so hieß er, als er noch klein war, schmeckte sein Blut. Unter seinem linken Auge klaffte eine kleine Schnittwunde in Form eines Dreiecks. Das harte Papier des Umschlags bohrte sich mit der scharfen Ecke durch seine dünne kindliche Haut und hinterließ ein blutiges Zeichen. Auch seine Lippen waren mit Blut befleckt.
    Gabriel sah seinen Vater jetzt mit den Augen eines Erwachsenen. Peter stand hinter der Tür und starrte hasserfüllt seinen Sohn an. In diesem Gesicht erkannte er sich selbst. Damals war sein Vater ungefähr so alt wie er heute, nämlich dreiunddreißig Jahre: das heilige Alter. In seinen Augen loderten nicht nur der blanke Hass und die nackte Wut seinem Sohn gegenüber, nein, Entsetzen und Hilflosigkeit, vor allem aber Angst prägten diesen Blick, der sich wie ein Brenneisen in Gabriels Erinnerung hineinfraß. Zischend hinter seinem Auge brandmarkte er ihn für immer.
    „Hallo, mein Schatz.“ Er sah seine Mutter, die vor der verschlossenen Tür kauerte und ihren Arm durch den Spalt nach ihrem Sohn ausstreckte. Sie war so nah und auch so fern. Langsam änderte Gabriel den Blickwinkel und schaute durch die Augen seiner Mutter. Das, was er sah, war verschwommen, sie weinte, dachte er. Und er roch Wein, sie war wie so oft betrunken, wie ihr Mann auch, sein Vater,

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