LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
das Fiepen einer Maus. Er hörte seine Mutter schreien, nicht so, als würde ihr Vater sie schlagen - oder doch? Kurz darauf hörte er das Klatschen einer Hand, so hörte es sich an, wenn sein Vater ihn auf den nackten Popo schlug, wenn er mal nicht brav gewesen war.
Um sich die Zeit zu vertreiben, las er wieder in der Bibel. Au ßer der Bibel kannte er keine Bücher, da seine Mama ihm keine kaufen durfte, weil Papa es verboten hatte. Die warme abgestandene Luft im Keller war ihm in letzter Zeit seines Lebens vertrauter als die frische Luft der Freiheit.
Sein Vater war nicht der klügste, trotzdem versuchte er seine Frau stets zu belehren.
„Das Lesen lernt man in der Schule, dafür sind sie auch schließlich da“, pflegte er immer seine Mutter zu ermahnen. „Und im Kindergarten lernt man sowieso nichts, sind ja auch viel zu teuer, dafür kann man sich sonst was kaufen, Kiste Bier zum Beispiel“, schimpfte er immer.
Manchmal, wenn er bester Laune war, fügte er noch hinzu: „Drei Weizen sind schließlich auch ein Schnitzel“, danach rülpste er immer oder kraulte sich am behaarten kugelrunden Bauch.
Das Stö hnen und Schreien dauerte ungewöhnlich lang, als dann die Mama da war, sah sie ziemlich zerzaust, verschwitzt und müde aus. Was Christian nicht verstand, sie roch nach Papa und schien dabei sehr glücklich zu sein. Hatte er sie wirklich geschlagen? Sie stank nach Alkohol und Schweiß, der konzentrierte Duft war ekelerregend.
Christian, so wie Kinder sind, hielt sich die Nase zu. Mama schlug ihm die kleine Hand beiseite und küsste ihn auf den Mund. Sie roch nach toter Katze und faulen Eiern, Christian kam fast der gesamte Mageninhalt hoch. Rechtzeitig konnte er es noch verhindern, seine Mama anzuspucken. Nur ein leiser Rülpser schaffte es nach oben, sein Atem roch nach Kotze, stellte Christian angewidert fest. So wie sein Gemütszustand. Er zitterte vor Zorn seinen Eltern gegenüber, er hasste in so einem Moment die ganze Welt.
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„Er lernte sehr früh Lesen, das wurde ihm zum Verhängnis. Er rächte sich später an seinen Peinigern, die gleichzeitig seine ersten Opfer waren.“ Jochen nippte an seiner Flasche. Sein Vater hörte ihm wie gebannt zu.
Seine Hand tätschelte an seinem Mantel, dann hob er das kleine Geschenk des alten Mannes in die Höhe. Beide sahen überrascht und interessiert drein. Jochens Finger krallten sich krampfhaft um das kleine Buch. Raphael nahm es entgegen. Schlug die erste Seite auf und las: „Das Tagebuch.“ Schnell blätterte er weiter. In einer schönen, scharfkantigen Schrift stand geschrieben: „Alles begann an dem Tag, als meine Eltern starben.“
*****
Morgensterns Freunde hatten auch ein Buch, welches nicht weniger interessant war als seins. Drei Gesichter starrten wie gebannt auf die grauen Blätter, ihre Augen huschten konzentriert über die vollgekritzelten Seiten.
Gregor blätterte weiter und überflog die Zeilen. Vieles war unleserlich geschrieben, vielleicht waren es auch nur die Buchstaben einer alten vergessenen Sprache, die er nicht zu entziffern vermochte.
„Da“, sagte er und tippte auf eine Zeile.
Jeder las für sich: „Die Bibel wurde von Menschen für Menschen geschrieben, zu Gunsten der jeweiligen Zeiten. Die Welt ist nicht so alt, wie wir es vermuten. Es gab schon einmal einen großen verheerenden Krieg, der alles zivilisierte Leben zerstörte, doch nicht vernichtete. Das Wissen ging verloren und musste neu angeeignet werden. Was blieb, sind nur die Erinnerungen an damals.“ Einige Fotos und Zeichnungen klebten unter den Zeilen.
„Pyramiden?“, sagten alle wie einstudiert.
„Vor rund fünftausend Jahren gab es zwei mächtige Zivilisationen, die an den Gott des Lichtes glaubten. Beide waren mächtig, sie beherrschten das Wasser und auch die Luft.“
Auf der nächsten Seite waren die typischen Zeichnungen von den Miniatur-Flugkörpern, die man von den Mayas und Ägyptern kannte. Die sehr einem Vogel, aber auch modernen Flugzeugen und Hubschraubern glichen.
„Dies sind Nachbildungen ihrer Nachkommen, die es aus den Erzählungen nachkonstruierten. Das Wissen um die Technik und den Bau der Pyramiden ging bei den Auseinandersetzungen verloren. Sie stritten sich um den wahren Gott, den einzigen, jeder behauptete, dass ihr Gott der wahre sei. Die ganzen Errungenschaften an neuer Technologie und das angehäufte Wissen halfen ihnen nicht dabei, die älteste Frage aller Fragen zu beantworten:
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