LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
wenn er eine Idee hatte, die aber nicht unbedingt ausgereift war.
„Zuerst kommt die These, dann die Antithese, und danach vielleicht die Wahrheit oder das Ergebnis.“ Das waren seine Worte, wenn Lisa seine Gedankengänge nicht auf Anhieb verstand, versuchte Morgenstern es ihr anders zu erklären. ‚ Er ist ein guter Lehrer und ein noch besserer Freund ‘, dachte Lisa. „Jeder tickt nun mal anders“, pflegte er immer zu sagen. Da stimmte sie ihm ausnahmsweise zu.
Plötzlich wachte er aus seiner Gedankenstarre auf, griff nach dem Hammer und schritt zur Tür. Lisa blieb sitzen. Sie war auf einmal sehr müde, rutschte dann vollends in den weichen Sessel und schloss die Augen. Sie hörte, wie etwas knallte, wie schon einmal heute, wie aus dem Nichts. Lisa schrie vor Schreck auf, sodass ihre Nachbarin, in ihrem Schlaf gestört, sich zu räuspern begann. Lisa rannte an den Ort, von dem sie das Krachen vernommen hatte. Es war ihre Eingangstür, die jetzt auch noch von der Innenseite mit einem Hammer behandelt wurde.
„Spinnstdumichsozuerschrecken?“, schrie die junge Kriminalinspektorin ihren Vorgesetzten an, den Satz zu einem Wort flechtend.
Er blieb mit dem Rücken zu ihr stehen und wuselte scheinbar ungestört an der Außenseite ihrer Wohnungstür. „Ruhig Blut“, sagte er durch die Zähne. Angestrengt hebelte er mit dem Hammer an dem Nagel herum, denn das, was er tat, verlangte all seine Kraft und sein Geschick. Seine rechte Hand rutschte ab, er fluchte leise. Den Hammer in der linken Hand haltend, marschierte er schnell an Lisa vorbei, wieder die Küche anvisierend. Irgendetwas baumelte an einem Nagel in seiner rechten Hand, ja, es war die festgenagelte Hand von ihrem Besucher. Nun ja, nicht direkt von ihm, sondern von einem, dem er diese Extremität abgetrennt hatte.
Lisa lief ihrem Boss hinterher, der sich jetzt schon wieder auf die Suche begab - die Schubladen flogen nur so auf. „Ich brauche eine Vespertüte oder Backpapier, schnell, sonst rutscht mir das verdammte Ding noch aus der Hand!“
‚ Typisch Mann ‘, fuhr es Lisa durch den Kopf. ‚ Mit einem klaren Ziel vor Augen, allerdings ohne Verstand rennen die männlichen Geschöpfe drauflos. Dabei weiß er ganz genau, dass ich so etwas nicht habe .‘
Lisa ging zur Vorratskammer und zauberte einen Müllbeutel hervor, den sie an zwei Griffen öffnete und Raphael hinstreckte. Er schüttelte demonstrativ mit dem Kopf.
„ Leg es flach auf die Arbeitsfläche, du Simpel“, fuhr er sie ungeduldig an. „Sag mal, sind wir denn hier in einer Kinderkrippe, schneller!“, spornte er seine aufgebrachte Kollegin ungeduldig an. Nicht ohne Grund, wie sich sofort herausstellte. Die blutverschmierte Hand vom abgetrennten Körper eines Unbekannten fiel mit einem dumpfen Klatschen auf die ausgebreitete Tüte.
Lisa sprang intuitiv zur Seite. Raphael atmete erleichtert aus. ‚ Wenn Blicke töten könnten ‘, dachte Lisa, als sie Raphaels Gesicht entschuldigend beäugte. In seiner Rechten hielt er einen silbern glänzenden Nagel. Den legte er zur Hand dazu.
„Es scheint ein Zimmermanns-Nagel zu sein“, sprach der Kriminalinspektor jetzt wieder in normalem Ton mehr zu sich selbst als zu seiner Partnerin.
„Was mich beunruhigt, ist ... der saubere Schnitt. Die Hand wurde halb professionell amputiert. Wer auch immer das durchgeführt haben mag, war kein Profi, aber auch kein Laie.“
Lisa verstand wie so oft nur die Hälfte, dafür hasste sie sich selbst, aber auch ihn, weil er nicht in vollen Sätzen sprach. Raphael konnte ihren Gesichtsausdruck immer ziemlich gut deuten. Ohne dass sie ihn darum bat, klärte er sie immer auf.
Lisa wurde bei dem bizarren Anblick nicht ganz wohl zumute.
Sie kämpfte mit den Tränen, da sie solch ein Anblick erschreckte, ihr war auch sehr wohl bewusst, dass sie es hier mit einem sehr kranken Menschen zu tun hatten.
„Die Finger sind alle angeritzt, das arme Ding wurde gefoltert.“ Lisa sprach leise, so als fürchtete sie sich vor der abgetrennten Hand. So eine plumpe Feststellung war mehr als überflüssig, stellte die junge Beamtin leicht beschämet fest. Zu spät. Sie wollte damit nur die entstandene Stille durchbrechen, so etwas jagte ihr immer Angst ein. Auf einmal wurde es sehr dunkel.
Ein Donnern ließ die junge Kommissarin aufschreien. Raphael zuckte zusammen und hätte fast die abgetrennte Hand vom Tisch gefegt. Er blieb nämlich an der Tüte hängen, als er die Hand genauer inspizieren wollte.
Er schaute
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