LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
nötig war.
Katharina konnte einen leichten italienischen Akzent ausmachen.
„Ist Italienisch Ihre Muttersprache?“ Seine erste Frage ignorierte sie komplett, ihr Mundwerk hing niemals schief. Sie konnte ihre Kontrahenten schon immer in die Enge treiben. Beim Grünschnabel in Uniform war es ein leichtes Spiel. Sie grinste und triumphierte innerlich. Die Luft, die sie einsog, stank nicht mehr nach altem Bratfett und alten Möbeln, die morsch und stickig nach abgestandenem Bier muffelten, nein, diese Luft roch frisch, eisig und schmeckte nach Sieg. „Kommen Sie aus Italien, Rom?“
Ein kurzes Nicken, dann ein viel zu übertriebenes Kopfschütteln.
„Das geht Sie nichts an, und nun kommen Sie bitte mit.“
„Haben Sie einen Haftbefehl?“ Nun klang sie nicht mehr so sicher. Die Tonlage veränderte sich mehr zu einem Wispern und vibrierte leicht panisch.
„Ja“, bellte er kurz angebunden und tätschelte mit flacher Hand seine Waffe. Sie hatte er wieder im ledernen Holster versteckt. Es bedurfte keiner Worte, um seine Gestik richtig zu interpretieren. Katharina schluckte kaum hörbar, dafür schwer, der Brocken aus Angst hinderte sie am Atmen.
„Das dürfen Sie nicht.“ Ihre Empörung war nur noch ein Wispern. Ein dicker Frosch saß in ihrem Hals.
„Ach nein?“ Nun schrie der kleine Polizist gar, holte seine Pistole heraus, schritt schnell auf die perplexe Frau zu und drückte ihr schmerzhaft den Lauf mitten auf die Stirn. „Und wer sagt das?“ Schierer Zorn und Lust aufs Töten strahlten seine kalten Augen aus. Die Farbe glich einer stark ausgewaschenen Jeans. ‚So sieht ein Wahnsinniger aus, kurz bevor er zu morden anfängt‘ , schoss es ihr eisig durch den Kopf. „Will einer der Herren noch etwas sagen?“ Das war eine rhetorische Frage, dabei fuchtelte er mit dem Lauf in Richtung der beiden. „Na prima“, das Wort ‚Prima‘ klang typisch italienisch. Die Frau weinte, ihr dunkles Haar hing nass und verklebt in dünnen Locken unschön herunter. „Bitte lasst mich einfach gehen, ich ... ich werde niemandem etwas erzählen.“ Sie schniefte laut und sah verzweifelt den kleinen Mann an, ihre Stimme glich einer alten ungeölten Tür, die in den rostigen Scharnieren knarzte. „Darf ich ein Taschentuch heraus ...“ Ihr Kinn zuckte, sie schluchzte mehrmals, sowie es nach intensivem Weinen oft eintritt und man nichts dagegen tun kann. Der bewaffnete Polizist nickte abwertend, schaute wieder zu den Männern und bedeutete ihnen mit dem schweren schwarzen Teil, welches er immer noch in deren Richtung hielt, hinter dem Tresen zu verschwinden. Die beiden setzten sich auf den dreckigen Boden. Die Journalistin war eine gute Schauspielerin, in Extremsituationen funktionierte ihr Denkorgan rational und zuverlässig. Sie griff nach einem Taschentuch, stattdessen holte sie eine feuerzeuggroße Flasche aus ihrer Hosentasche heraus. Es war eine Sonderanfertigung und ein Geschenk ihres Chefs für gute Mitarbeit. Mit ausgestrecktem Arm leerte Katharina den ganzen Inhalt in das Gesicht des überrumpelten Beamten mit einem leisen Zischen komplett aus. Der Schuss kam nicht, die Waffe war entweder nicht geladen, vielleicht auch gar nicht entsichert, oder war nur eine Attrappe aus Kunststoff. Stattdessen fiel die Pistole polternd zu Boden wie ein schwerer Stein. Der großohrige Kobold kratzte seine Augen kreischend vor Qual fast aus den Augenhöhlen heraus. Er tobte und stampfte und schrie auf Latein irgendwelche Worte. Als er das Hemd aufknöpfte, um sich damit die ätzende Flüssigkeit wegzuwischen, erblickte Katharina durch einen Schleier aus Tränen einen Davidstern, der sich auf der rechten Seite unterhalb seiner glattrasierten Achselhöhle befand. Sie verschwendete keine weitere Sekunde daran, länger darüber nachzudenken. Grob stieß sie den Kerl beiseite und stürmte davon, raus in die Dunkelheit, in die Freiheit.
Ein Wagen stand vor der Tür, ein grauer alter Fiat.
‚Sehr untypisch für unsere Polizei‘, dachte sie, als sie den Wagen erblickte. Sie zerrte kurz an dem Griff der Fahrertür, lugte hinein und stellte erleichtert fest, dass im Zündschloss ein Schlüssel steckte. Katie plumpste hinter das Steuer, drehte den Schlüssel im Zündschloss durch, der Motor sprang sofort an. Da die Tür genau in dem Moment scheppernd zuflog, in ihren Ohren ihr ganzes Blut schmerzend vorbeiraste und sie dadurch fast nichts hörte, drehte sie den Schlüssel in all der Aufregung erneut durch, der Wagen krächzte
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