LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)
Körperteile penibel im gleichen Abstand und symmetrisch zum Torso zu platzieren. So, als würde er ein verdammter Künstler sein.“ Raphael wollte seinem Freund weiter über die arme Frau erzählen, auf einmal bemerkte er einen jungen Mann, der zwar in diskretem Abstand zu ihnen stand, trotzdem sah man ihm die Dringlichkeit seiner Information an. Er machte kleine Schritte vor und zurück, in seinem weiteren Vorgehen unschlüssig, rieb er die Handflächen aneinander, so als herrsche draußen winterliche Kälte.
Mit einem Kopfnicken wies Raphael zu dem jungen Polizisten.
„Herr Wolfram, wir haben den Code geknackt.“ Sein Vorgesetzter legte die von der Sonne gegerbte Stirn in Falten. Dieter musterte ihn eindringlich.
„Es soll wohl heilige Rache bedeuten.“ So, als stünde David vor der Tafel in der Schule und wisse nicht, ob seine Antwort richtig ist, nestelte der junge Polizist unruhig an seinem Schreibblock. Sein Haar war in der Mitte gescheitelt. Überhaupt ließ sein ganzes Aussehen darauf schließen, dass alles, was er tat, sehr explizit nach Vorschrift ausgeführt wurde. Seine braunen Augen huschten hin und her, David wartete nur noch ab und sagte nichts mehr.
Die beiden Sonderermittler staunten nicht schlecht. Raphaels Stirn bekam auch viele kleine Furchen des Erstaunens.
„Wie bitte?“ Morgenstern war wie vor den Kopf gestoßen.
Der junge Mann schaute ihn erschrocken an.
Er räusperte sich, dann begann er seine These zu erläutern: „Die Stadt Sofia ist eine heilige Stadt. Daher auch der Name.“ Er hüstelte vor Aufregung galant in die offene Faust, die er dann schnell hinter seinem Rücken versteckte. „Sofia bedeutet ‚die Heilige‘. Was der Urheber dieser Botschaft damit sagen wollte, ist folgendes: Er will es demjenigen, dem er Rache schwört, mit gleicher Münze heimzahlen. Der Weg ist das Ziel. Die Demütigung dient ihm als Genugtuung und Vergeltung. ‚Vendetta‘ wäre da der passende Ausdruck. So, wie es in der Bibel steht: Auge um Auge, Zahn um Zahn.“
„Aber ist es nicht eine Sünde, jemanden zu töten?“ Lisa war keine Kirchgängerin, aber so viel wusste sie auch. „Heißt es nicht: Du sollst nicht töten?“
Der junge Beamte errötete. „Grob ja. Aber es ist keine Sünde, sich zu rächen, wenn dein Feind für seine Taten sühnen muss und nicht unbewaffnet ist. Damit sind nicht Waffen als solche gemeint. Es kann jeder sein, der in einer höheren Position ist und die ihm aufgetragene Macht für sein Ego missbraucht. Macht ist die stärkste Waffe überhaupt. Jeder, der sein Recht auf Leben verteidigt, ist vor Gott heilig. ‚ Du sollst nicht töten‘ ist zweideutig zu verstehen.“
„Okay, David, das hier ist Frau Glück.“ Dem Mann von der Spurensicherung war das Ganze etwas zu viel Theologie.
„Lisa“, unterbrach sie Dieter.
David war hübsch, stellte die junge Polizistin fest, zu hübsch sogar. Sie schaute ihn eindringlich an.
E r nickte ihr nur ernst entgegen als Zeichen der Dankbarkeit.
„David“, sagte er und streckte seine drahtige Hand aus. Der Händedruck war angenehm fest.
„Wenn es so ist, dann bin ich Raphael“, sagte Morgenstern und streckte seinerseits seine Rechte aus und erwiderte den Händedruck, als er spürte, dass David gut bei Kräften war.
„Wie der Erzengel“, sagte David und lächelte den Kommissar anerkennend an.
„Jetzt, wo die Förmlichkeiten ausgetauscht wurden …“, Dieter beäugte die Runde und seine Augen blieben auf Andi haften,
„… ihn müsst ihr aufs Revier mitnehmen, er schwebt in Lebensgefahr.“ Raphael winkte Andi zum Nähertreten, der Journalist gehorchte und schloss sich der kleinen Gruppe an.
Andi musste seine Geschichte noch einmal wiedergeben. Dieter und David hörten gespannt zu, der jüngere der beiden machte sich dabei Notizen.
Danach wussten die beiden von der Mordkommission, dass seine Geschichte nicht erfunden war. Jedes Wort glich der, die er den beiden Ermittlern zuvor aufgetischt hatte. Eins war also sicher: ‚Andi log nicht' , stellte Morgenstern erleichtert fest.
Dann suchte er in dem Tumult nach einem bestimmten Mann.
„Suchst du Peter?“, interessierte sich Dieter wissend, wonach sein Kumpel Ausschau hielt.
„Er leitet den Einsatz hier, oder nicht?“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Raphael wusste es von Seehoffer.
„ Bist du nicht beurlaubt?“ Dieter sah seinen Freund fragend an. Raphael nickte nur kurz, so als täte ihm die unschöne Tatsache leid. „Eher
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