LIEBE DEINEN NÄCHSTEN Noah Fitz Thriller (German Edition)

suspendiert“, nuschelte Morgenstern.
    Dieter musste es überhört haben, denn er sprach einfach weiter: „Nun ja, dann wirst du wohl die zweite Geige spielen müssen, ob du es nun willst ...“
    „…oder nicht“, unterbrach ihn Morgenstern leicht gereizt. „Ich werde mein eigenes Konzert dirigieren.“ Raphael sah noch einmal zu dem jungen Kollegen.
    „David, richtig?“
    Der nickte zur Bestätigung.
    „Habt ihr noch etwas Auffälliges entdeckt?“
    Mit einem Kopfschütteln verneinte er die Frage wortlos und etwas schuldig dreinblickend, so als wäre er mit seiner Leistung selbst unzufrieden.
    „Und das Zeichen auf dem rechten Daumen?“ Raphaels Blick glänzte hoffnungsvoll.
    „Die Haut ist etwas aufgegangen, hat sich an manchen Stellen abgelöst, dennoch sind wir uns sicher, dass es ein Doppelkreuz ist.“ Ein junger Polizist kam zu ihnen und nickte David nur zu. So als hätten die beiden einen telepathischen Gedankenaustausch geführt und ihren Transfer unbewusst mit einer nicht undefinierbaren Kopfbewegung bestätigt.
    „Soeben wurde es zur Gewissheit, es ist ein Doppelkreuz“, sagte der junge Mann nicht ohne Stolz. Ein Hauch des Triumphs huschte über Davids Gesicht.
    Jeder wartete auf die Aufklärung des geheimen Zeichens.
    „Schachmatt.“ Das war Andi. Er sprach erst, als keiner mehr etwas zu sagen hatte. Seine Stimme klang wie das Fiepen einer Maus.
    „Was?“, hinterfragte Morgenstern, verwundert über die nicht ganz klare Aussage. Alle Blicke gingen in Andis Richtung. Betreten begann er wieder schamrot zu werden. So viel Aufmerksamkeit war er nicht gewohnt.
    Raphael nickte ihm auffordernd zu.
    „Es wird beim Schach verwendet. Wenn der Gegner keinen Zug mehr hat und sein König sich in einer Schachposition befindet. Ich bin in einem Schachklub, und wir gehen des Öfteren die Profispiele durch. Dort dient das Zeichen dazu. Kreuz bedeutet Schach, Doppelkreuz  Schachmatt“, entschuldigte sich der verschwitzte Journalist für sein Wissen. Es gibt Menschen zu denen ihre Stimme nicht passte. Andreas war einer von ihnen.
    Als er sprach, war seine Stimme stets reizbar hoch und brüchig. Wie bei einem pubertierenden Jungen.
    „Also ist er so dreist zu behaupten, dass er gewonnen hat?“
    Keiner sagte etwas. Es war auch eine rhetorische Frage, und jeder wusste das, außer Andreas. Er stotterte etwas Unverständliches und kroch schließlich in sein Schneckenhaus zurück. Den Kopf gesenkt, stand er nur da.
    Entschuldigend verabschiedete sich David und versicherte Raphael, dass er Peter Zackablowski finden und den unbeliebten Kollegen zu ihm schicken würde. 
    „Wer ist der Kleine?“ Morgenstern versuchte sein Erstaunen gar nicht erst zu verbergen.
    „Mein neuer Assistent“, lachte der betagte Beamte von der Spurensicherung. „Ich werde bald mein Amt übergeben müssen. Wir werden nicht jünger, Raphi.“ Sie sahen zu, wie David sich emsig daran machte, den Mann mit dem unaussprechlichen Namen zu finden.
    „Da hast du was gesagt. A ch, da ist ja unser Chef. Hallo, Peter …“ Raphael begrüßte den viel jüngeren Kollegen nur halbherzig, seine Freundlichkeit war ironisch gemeint, sein Gegenüber war sich darüber im Klaren. Der schlaksige Beamte war sich des Spotts seiner Kollegen bewusst.
    Herr Zackablowski wurde in seiner Abwesenheit auch Herr Zack genannt, nicht unbedingt wegen seines Namens. Er war ein unbequemer Kollege und Vorgesetzter. Er strebte nach Macht und mähte alles nieder, was sich ihm in den Weg stellte.
    „Hast mich rufen lassen … Boss?“, entgegnete er seinerseits nicht weniger zynisch und verzichtete komplett auf Förmlichkeiten. Er stand unter Stress. ‚Sein erster großer Fall‘, vermutete Raphael und lag mit seiner Unterstellung richtig, wie sich später nicht ohne Bedauern herausstellen würde. Es würde nämlich auch sein letzter sein, heute noch. 
    „Ja. Du musst auf Herrn Brosch wie auf deinen Augapfel aufpassen. Schick zwei deiner besten Leute aufs Revier, sie werden ihn auf Schritt und Tritt begleiten, ohne Wenn und Aber, auch beim Scheißen muss stets einer dabei sein. Er ist wichtig für uns.“
    Andi hustete verlegen.              
    „Aber wir haben keinen Anlass dazu, ihn festzunehmen“, entgegnete Peter, sich an die Vorschriften haltend.
    „Ich bin Grund genug. Und die Fotos, die er von dem Verrückten bekommen hat. Und wenn ihr den jungen Mann durchsucht, ich hatte ja keine Befugnis, um die körperliche Inspektion durchführen zu