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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Tür. Ihre schnellen Augen huschten über ihn hinweg; sie blickte ihn nicht an. Das Glas in ihrer Hand zitterte und klirrte leise.
      Steiner trat auf den Korridor hinaus. »Stehenbleiben!« kommandierte eine Stimme.
      Rechts und links von der Tür standen zwei Leute in Uniform, Revolver in den Händen. Steiner blieb stehen. Er erschrak nicht einmal.
    »Wie heißen Sie?«
    »Johann Huber.«
    »Kommen Sie mit ans Fenster.«
      Ein dritter trat an ihn heran und sah ihn an. »Es ist Steiner«, sagte er. »Kein Zweifel. Ich kenne ihn wieder. Du kennst mich ja wohl auch, Steiner, was?«
      »Ich habe dich nicht vergessen, Steinbrenner«, erwiderte Steiner ruhig.
      »Wird dir auch schwerfallen«, kicherte der Mann. »Herzlich willkommen zu Hause! Freue mich wirklich, dich wiederzusehen. Wirst ja jetzt wohl ein bißchen bei uns bleiben, was? Wir haben ein wunderschönes, neues Lager, mit allem Komfort.«
      »Das glaube ich.«
      »Handschellen!« kommandierte Steinbrenner. »Zur Vorsicht, mein Süßer. Mir würde das Herz brechen, wenn du uns nochmals ausreißen könntest.«
      Eine Tür klappte, Steiner sah schräg über seine Schulter. Es war die Tür des Zimmers, in dem seine Frau lag. Die Schwester schaute heraus und zog rasch den Kopf zurück.
      »Aha«, sagte Steiner, »daher …«
      »Ja, die Liebe!« kicherte Steinbrenner. »Führt die ausgekochtesten Vögel ins Nest zurück – zum Wohle des Staates und zur Freude ihrer Freunde.«
      Steiner sah das fleckige Gesicht mit dem zurückfliehenden Kinn und den bläulichen Schatten unter den Augen. Er sah ruhig hinein; er wußte, was ihm von diesem Gesicht bevorstand, aber es war weit weg, wie etwas, was ihn noch nichts anging. Steinbrenner zwinkerte, leckte sich die Lippen und trat dann einen Schritt zurück. »Immer noch kein Gewissen, Steinbrenner?« fragte Steiner.
      Der Mann grinste. »Nur ein gutes, Liebling. Wird immer besser, je mehr von euch ich unter der Fuchtel habe. Habe einen prima Schlaf. Bei dir werde ich eine Ausnahme machen. Dich werde ich nachts besuchen, um ein bißchen mit dir zu plaudern. Los, abführen!« sagte er plötzlich barsch.
      Steiner ging mit seiner Eskorte die Treppe hinunter. Die Leute, die ihnen begegneten, blieben stehen und ließen sie schweigend vorübergehen. Auch auf der Straße herrschte dieses Schweigen, wenn sie vorüberkamen.
      Steiner wurde zur Vernehmung gebracht. Ein älterer Beamter fragte ihn aus. Er gab seine Daten zu Protokoll.
      »Weshalb sind Sie nach Deutschland zurückgekommen?« fragte der Beamte.
      »Ich wollte meine Frau sehen, bevor sie stirbt.«
      »Wen von Ihren politischen Freunden haben Sie hier getroffen?«
      »Niemand.«
      »Es ist besser, Sie sagen es mir hier, bevor Sie überführt werden.«
      »Ich habe es schon gesagt: Niemand.«
      »In wessen Aufrag sind Sie hier?«
      »Ich habe keine Aufräge.«
      »Welcher politischen Organisation waren Sie im Ausland angeschlossen?«
      »Keiner.«
      »Wovon haben Sie denn gelebt?«
      »Von dem, was ich verdient habe. Sie sehen, daß ich einen österreichischen Paß habe.«
      »Und mit welcher Gruppe sollten Sie hier Verbindung nehmen?«
      »Wenn ich das gewollt hätte, hätte ich mich anders versteckt. Ich wußte, was ich tat, als ich zu meiner Frau ging.«
      Der Beamte fragte ihn noch eine Zeitlang weiter. Dann studierte er Steiners Paß und den Brief seiner Frau, den man ihm abgenommen hatte. Er blickte Steiner an; dann las er den Brief noch einmal. »Sie werden heute nachmittag überführt«, sagte er schließlich achselzuckend.
      »Ich möchte Sie um etwas bitten«, erwiderte Steiner. »Es ist wenig, aber für mich ist es alles. Meine Frau lebt noch. Der Arzt sagt, daß es höchstens noch ein bis zwei Tage dauern kann. Sie weiß, daß ich morgen wiederkommen sollte. Wenn ich nicht komme, wird sie wissen, daß ich hier bin. Ich erwarte für mich weder Mitleid noch irgendeine Vergünstigung; aber ich möchte, daß meine Frau ruhig stirbt. Ich bitte Sie, mich einen oder zwei Tage hierzubehalten und mir zu erlauben, meine Frau zu sehen.«
      »Das geht nicht. Ich kann Ihnen nicht Gelegenheit zur Flucht geben.«
      »Ich werde nicht flüchten. Das Zimmer liegt im fünfen Stock und hat keine Nebenausgänge. Wenn mich jemand hinbringt und die Tür bewacht, kann ich nichts machen. Ich bitte Sie nicht für mich; ich bitte Sie für eine sterbende Frau.«
      »Unmöglich«, sagte der

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