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Liebe deinen nächsten

Liebe deinen nächsten

Titel: Liebe deinen nächsten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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nickte. »Scheint gut zu sein. Aber haben Sie nur so kleine Flaschen?«
      »Hier ist eine größere. Dann habe ich noch eine, die ist sehr groß. Die hier. Sie kostet allerdings vierzig Kronen.«
      »Das macht nichts. Die große ist richtig, die behalte ich.«
      Kern glaubte seinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Das waren bare achtzehn Kronen Verdienst. »Wenn Sie die große Flasche nehmen, gebe ich Ihnen noch ein Stück Mandelseife gratis dazu«, erklärte er begeistert.
      »Schön, Seife kann man immer gebrauchen.«
      Die Frau nahm die Flasche und die Seife und ging in ein Nebenzimmer. Kern packte inzwischen seine Sachen wieder ein. Aus der halboffenen Tür drang der Geruch von gekochtem Fleisch. Er beschloß, sich nachher ein erstklassiges Abendessen zu gönnen. Die Suppe aus der Mensa am Wenzelsplatz machte nicht satt.
      Die Frau kam zurück. »Also schönen Dank und auf Wiedersehen«, sagte sie freundlich. »Hier haben Sie auch ein Butterbrot auf den Weg!«
      »Danke.« Kern blieb stehen und wartete.
      »Ist noch was?« fragte die Frau.
      »Ja, natürlich,« Kern lachte, »Sie haben mir das Geld noch nicht gegeben.«
      »Das Geld? Was für Geld?«
      »Die vierzig Kronen«, sagte Kern erstaunt.
      »Ach so! Anton!« rief die Frau ins Nebenzimmer hinein. »Komm doch mal her! Hier fragt einer nach Geld!«
      Ein Mann in Hosenträgern kam aus dem Nebenzimmer. Er wischte sich den Schnurrbart und kaute. Kern sah, daß er über dem verschwitzten Hemd eine Hose mit Litzen trug, und eine böse Ahnung stieg plötzlich in ihm auf. »Geld?« fragte der Mann heiser und bohrte in seinem Ohr.
      »Vierzig Kronen«, erwiderte Kern. »Aber geben Sie mir lieber einfach die Flasche zurück, wenn es Ihnen zuviel ist. Die Seife können Sie dann behalten.«
      »Soso!« Der Mann kam näher heran. Er roch nach altem Schweiß und gekochtem frischem Schweinebauch. »Komm mal mit, mein Sohn!« Er ging und öffnete die Tür zum Nebenzimmer weiter. »Kennst du das da?« Er zeigte auf einen Uniformrock, der über einem Stuhl hing. »Soll ich das mal anziehen und mit dir zur Polizei gehen?«
      Kern trat einen Schritt zurück. Er sah sich bereits vierzehn Tage im Gefängnis wegen verbotenen Handels. »Ich habe eine Aufenthaltserlaubnis«, sagte er so gleichgültig, wie er konnte. »Ich kann sie Ihnen zeigen.«
      »Zeig mir lieber deine Arbeitserlaubnis«, erwiderte der Mann und starrte Kern an. »Die habe ich im Hotel.«
      »Dann können wir ja mal zum Hotel gehen. Oder soll die Flasche nicht doch lieber ein Geschenk sein, wie?«
      »Meinetwegen.« Kern sah sich nach der Tür um.
      »Hier, nehmen Sie doch Ihr Butterbrot mit«, sagte die Frau mit breitem Lächeln.
      »Danke, das brauche ich nicht.« Kern öffnete die Tür.
      »Sieh einer an! Undankbar ist er auch noch!«
      Kern schlug die Tür hinter sich zu und ging rasch die Treppen hinunter. Er hörte nicht das donnernde Gelächter, das seiner Flucht folgte. »Großartig, Anton!« prustete die Frau. »Hast du gesehen, wie er türmte? Als wenn er Bienen in der Hose hätte. Noch schneller als der alte Jude heute nachmittag. Der hat dich bestimmt für ’n Polizeihauptmann gehalten und sah sich schon im Kasten!«
      Anton schmunzelte. »Haben eben alle Angst vor jeder Uniform! Selbst wenn sie einem Briefräger gehört. Unser Vorteil! Wir leben nicht schlecht von den Emigranten, was?« Er griff der Frau an die Brüste.
      »Das Parfüm ist gut.« Sie drängte sich an ihn. »Besser als das Haarwasser von dem alten Juden heute nachmittag.«
      Anton zog sich die Hose hoch. »Da schmiere dich heute Abend damit ein; dann habe ich eine Gräfin im Bett. Ist noch Fleisch im Topf?«
      Kern stand auf der Straße. »Rabbi Israel Löw«, sagte er ziemlich jämmerlich zum Friedhof hinüber. »Sie haben mich ’reingelegt. Vierzig Kronen. Dreiundvierzig sogar mit dem Stück Seife. Das sind vierundzwanzig Nettoverlust.«
      Er ging zum Hotel zurück. »War jemand für mich da?« fragte er den Portier.
      Der schüttelte den Kopf. »Kein Mensch.«
      »Bestimmt nicht?«
      »Nein. Nicht mal der Präsident der Tschechoslowakei.«
      »Auf den warte ich auch nicht«, sagte Kern.
      Er stieg die Treppen hinauf. Es war sonderbar, daß er von seinem Vater nichts hörte. Vielleicht war er wirklich nicht da; oder er war inzwischen von der Polizei gefaßt worden.
      Er beschloß, noch ein paar Tage zu warten und dann noch einmal

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