Liebe Dich Selbst Und Es Ist Egal, Wen Du Heiratest
dritten zänkisch unleidlichen Tag gelang es uns endlich, das, was da los war, in Worte zu fassen.
Langsam, Stück um Stück, begannen wir auszudrücken, was jeder wirklich fühlte, was ihm wirklich im Moment fehlte. Ganz unten unter unserem Gezeter kam heraus, dass wir beide unsicher waren und uns seit diesem misslungenen Tanzabend abgewiesen und unzulänglich fühlten - das alles war uns aber nicht im Geringsten bewusst gewesen.
Das Gespräch hatte etwas von einem Wattetupfer mit Jod in einer frischen Wunde. Es war zur Klärung und Seelenreinigung zwar dringend nötig, aber immer wieder war da dieser stechende Schmerz.
Ein falsches Wort von mir, und schon versteinerte mein Mann. Ein gepanzerter Rückzug von ihm, und schon ging mein nagendes Gezeter los. Wir befanden uns mitten in unseren alten Geschichten, quälten uns durch
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unsere familiäre, emotionale Mitgift. Aber geübt, wie wir schon waren, suchten wir zwischendurch nach unserer Liebe. So gingen wir abends zu Bett mit dem festen Vorsatz, vor Ende des Tages unsere Offenheit, unseren Frieden und unsere Verbindung wiederzufinden. Alles, was an Schmerz und Wut anwesend war, wollten wir nicht mit in die Nacht nehmen. Es blieb uns nichts anderes übrig, ab das, was da zwischen uns stand, zu fühlen und auszudrücken. Nur so würden wir darunter unsere Liebe wiederfinden.
Der Fluss der Liebe
Wir gingen zu Bett, lagen uns gegenüber und schauten uns nicht ganz ohne inneren Widerstand still in die Augen, wohl wissend, dass das ein guter Weg war, ehrlich zu sein. Ruhe stellte sich ein, von der aus wir uns nun bemühten, wieder von Herzen miteinander zu reden, uns langsam mit aller Liebe zu berühren, bis sich in unseren Körpern wieder friedliche Lebendigkeit einstellte.
Die erste Zeit unserer Berührung hatte etwas von einem höchst wachsamen Gang durch ein Tretminenfeld. Aber dann geschah das, was man nicht machen kann - das, was man vertrauensvoll zulassen muss: In uns fing sich etwas an zu entspannen, unsere Körper fanden wieder zurück zu ihrem eigenen fried- und kraftvollen selbstverständlichen Fluss. Noch nie zuvor hatte ich so klar und bewusst fühlen können, wie sich alles in mir Stück um Stück mit Leben füllte, je klarer ich mich wahrnahm und meinen Schmerz mit jemandem teilte. Es war, als wäre mein 304
ganzer Körper verstopft gewesen. Und ich spürte langsam wieder Liebe in mir. Meine Liebe, die mehr und mehr durch mich hindurchfließen konnte mit nur einem Ziel - sich mit meinem Mann zu verbinden.
Jedes einzelne Wort der letzten Zeilen schreibe ich auf ah leidenschaftliches Plädoyer eines Verteidigers, schreibe ich auf, um die eigentliche tiefe Unschuld zu zeigen, die in unseren Körpern und unserer Sexualität auf ihre Annahme, die Befreiung von Scham und einen Freispruch wartet. Es gibt nichts, was mehr vergewaltigt wurde als unsere körperliche Liebe. Sie wurde entstellt zur Pornografie, sie wurde gejagt und in Exzesse getrieben, sie wurde verurteilt und von der Kirche mit Scham belegt, und sie musste in unzähligen Schlafzimmern verkümmern und verdorren.
Wir alle sehnen uns mehr oder minder bewusst danach, dass unser Leben wieder von der körperlichen Liebe belebt und genährt wird, aber kaum jemand kennt die uralten Geheimnisse der sexuellen Energie, die einem Lebendigkeit, Verbundenheit und Frieden in Körper und Seele zugleich bescheren. Fast alle von uns irrten einst durch Pubertät und Heranwachsen auf der Suche nach befriedigender, verbindender Körperlichkeit. Die meisten fanden sich häufig mit einem gebrochenen Herzen oder in sexuellen Sackgassen wieder. Wenige fanden einen Schlüssel, der ihnen auf Dauer das Tor zu einer erfüllenden Sexualität geöffnet hätte.
Ich weiß noch, was für ein Gefühl mich beschlich, als ich zum ersten Mal mit einem Jungen geschlafen hatte. Eigentlich hatte ich großes Glück. Mein erster Freund war ein wunderbarer, einfühlsamer Mensch, dem ich vertraute. Trotz305
dem - lach unserem ersten Mal überkam mich ein eigenartiges G«fühl von Enttäuschung und Leere: Das soll es also gewesen sein?
Das, wovon alle so unablässig träumen und in der Pause auf dem Schulhof und nachmittags hinter den verschlossenen Türen ihrer Zimmer reden?
Die Suche nach dem Geheimnis körperlicher Liebe Von da an war ich auf der Suche nach etwas, wovon ich nicht wusste. was es war. Ich war neugierig, ungehemmt und offen und hatte alle möglichen Erlebnisse mit Sex. Manchmal war es neu, als ob ich hinter
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