Liebe Dich Selbst Und Es Ist Egal, Wen Du Heiratest
zuwächst, gibt ihm die tatsächliche innere Führungskraft, die er als Leitfigur und Veränderer einer Gesellschaft braucht. Wenn auch gezwungenermaßen, so könnte Scharping mit entsprechender Selbstreflexion genügend Stärke entwickeln, um Politik und Leben seinem Wunsch entsprechend authentisch und wahrhaftig miteinander zu verbinden.
Alles, was die Verbindung von Kristina Gräfin Pilati und Rudolf Scharping heute von ihren vergangenen Beziehungen unterscheidet, ist
nicht
der
neue
Partner,
sondern
ihre
erhöhte
Kommunikationsbereitschaft und ihr Mut, für die Liebe auch Konsequenzen zu ziehen. Hatte Scharping im Laufe der ersten Ehe noch alles für die Politik geopfert, war er jetzt nicht mehr willens, seine Gefühle zu zäumen und seine Verletzbarkeit zu verbergen. Er war bereit, für die eigene Wahrheit öffentlich einzustehen. Auch Kristina Gräfin Pilati zeigt sich in einem späteren Interview gereift:
»Wenn man älter ist, merkt man, dass das Lieben selbst schon sehr wertvoll ist und dass man glücklich ist, dass man überhaupt lieben kann.«*
Die beiden scheinen einiges über die Liebe gelernt zu haben.
Dafür ist aber der neue Partner nicht wirklich verantwortlich, Auch hier setzt die Anziehungskraft, die von ihm ausgeht, nur einen stürmischen Öffnungsprozess in Gang, für den uns als Einzelpersonen zuvor meist Kraft und Mut
* Zitiert aus der Zeitschrift Bunte.
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fehlten. So resümiert Rudolf Scharping nach der ersten gemeinsamen Lebensphase mit seiner neuen Frau: »Tina und ich sind in den letzen drei Jahren durch etliche Fegefeuer gegangen, haben aber vor allem eine bestärkende Gemeinsamkeit aufbauen können.
«*
Der neue Partner fordert uns heraus und erinnert uns an das Ideal von uns selbst, das wir schon lange nicht mehr leben. In ihm entdecken wir etwas von uns, nach dem wir uns lange gesehnt haben, das wir lange schon auf dem Weg der Anpassung beerdigt haben. Wenn wir diesen Teil im Außen endlich wieder erleben, dann erwacht etwas in uns. Wenn wir weit genug von unserem eigentlichen Weg abgekommen sind, wenn unser Hunger nach der eigenen Lebendigkeit lange genug nicht gestillt wurde, dann sind wir endlich bereit, über den kleinen, starr eingegrenzten Raum unserer alten Beziehung hinaus einen neuen, meist verbotenen Raum zu betreten. Tatsächlich gehen wir damit über die eigenen Grenzen in uns selbst hinaus. Häufig heimlich und gegen die gesellschaftliche Moral finden wir einen neuen Geliebten, um in ihm den Teil von uns wiederzuentdecken, der uns einstmals verboten wurde und den wir später für tot hielten.
Rudolf Scharping, der nach eigenem Bekunden so lange Politik mit Leben verwechselt hatte, der nach Jahrzehnten der Erstarrung und Außenorientierung beseelt war von dem Wunsch, Gelebtes nachzuholen - dieser Mann war so voller Sehnsucht nach sich selbst, dass er bereit war, sich für das Leben zu öffnen. Er traf eine Frau, in der er sich wieder erleben
* Zitiert aus der Zeitschrift Bunte.
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konnte. Er brachte den Mut auf, für diese Auferstehung von den Toten Konsequenzen zu ziehen, für die eigenen Gefühle einzustehen, sich zu sich selbst zu bekennen, sich sogar lächerlich zu machen, die alte, gesellschaftlich akzeptierte Maske fallen zu lassen, nicht mehr nett und freundlich auf Kosten der eigenen Lebendigkeit zu sein. Auf die Frage: »Welche Erkenntnis bleibt Ihnen nach über dreißig Jahren Politik? «, lautet seine Antwort in einem Interview: »Gefährde durch das, was du tust, nie deine Überzeugung, deinen Charakter und dein privates Glück. «*
Eigene Kraft entdecken, eigene Leidenschaft entfachen Dieses Erdbeben, das durch eine frische Liebe losbrechen kann, hat interessanterweise auch noch ganz andere Auslöser. Häufig erlebt man ähnliche Phänomene bei Menschen, die von einem schweren Schicksalsschlag oder von einer lebensbedrohlichen Krankheit heimgesucht wurden. Solch starke Einschnitte ins Leben können in die völlige Lähmung treiben, oder sie können Menschen wieder zurück zu sich selbst, zurück zu ihrer Kraft, auf ihren eigentlichen Weg bringen. Immer wieder kann man Geschichten lesen von Menschen, die unter plötzlichem Leid ihre Lebensfreude, ihren Lebensmut, ihren Kämpfergeist und ihre Leidenschaft wiederentdeckt haben.
* Zitier! aus der Zeitschrift Bunte .
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Aber auch Menschen, die eine schwere Sucht überwunden haben, entwickeln auf einmal Kräfte, die niemand in ihnen je vermutet hätte.
In der Sucht haben sie körperlich,
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