Liebe Dich Selbst Und Es Ist Egal, Wen Du Heiratest
Frieden in mir aus. Kaum dass ich merkte, mit dem Leben davongekommen zu sein, verschwand dieses Gefühl wieder, wich es zuerst einmal sogar großer Angst.
Beim letzten dieser Erlebnisse konnte ich den Schock und das Wissen, gleich tot zu sein, erstmals ausgiebig und im Zeitlupentempo erleben. Ich gehörte zu einer Skigruppe. Wir saßen gemeinsam im Bus auf einer Serpentinenstraße hoch oben in den Schweizer Bergen auf dem Rückweg von unseren Skiferien.
Plötzlich roch es nach verbranntem Gummi» Wir machten gerade noch Witze darüber, dass unsere Brem247
sen womöglich versagt hätten und wir gleich den Abhang herunterstürzten, als einer der Busfahrer aufsprang, immer wieder an der Handbremse riss und rief: »Alle sofort auf den Boden. « Die Bremsen versagten tatsächlich.
Während der Bus schneller und schneller wurde, brach unter seinen vierzig Insassen Hysterie aus. Einige schrien oder kreischten, andere wimmerten, einige warfen sich auf den Boden, andere erstarrten. Ich konnte mich nicht mehr rühren, blieb wie angeklebt auf meinem Platz sitzen und sah, wie die von unten kommenden Autos versuchten, uns auszuweichen. Es war wie in einem James-Bond-Film. Ich schaute zu, war körperlich wie gelähmt, aber von einer nie gekannten Klarheit und Ruhe im Kopf.
Wir schafften zwei kleinere Biegungen, dann rasten wir auf eine Kehre zu, die wir niemals schaffen konnten. Es war, als ob sich alles in mir zutiefst entspannte, fast auflöste, während ich, die tiefen Bergschluchten direkt links unter mir im Auge, auf meinen Tod wartete. Dann holperte es plötzlich, schepperte, krachte und knallte dumpf. In mir waren ein unglaublicher Friede und eine noch nie erlebte Stille.
Kurz darauf nahm ich wie durch einen Weichzeichner wahr, dass um mich herum alles wild durcheinander ging. Jeder versuchte, dem qualmenden Wrack zu entkommen. Der Bus war mit ein paar Zentimetern Abstand vor einer Hauswand zum Stehen gekommen, und keiner der Insassen war wirklich ernsthaft verletzt. Ein Wunder war geschehen: In der Kurve, die wir nicht mehr hätten nehmen können, stand eine kleine Mauer, die den Bus unten gebremst hatte. Hinter der Mauer stand ein Holzschober, der unser Tempo zwar
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dämpfen, sich dann aber in tausend Teile auflösen konnte.
Hinter dem Schober stand ein Haus, das im ersten Stock genau über Kopfhöhe vorgebaut war. Es hatte unseren Bus oben erwischt und noch mal gebremst. Ich, die ich unter normalen Umständen keinen Tropfen Blut sehen kann, war wie in Trance eine ganze Zeit lang als Krankenschwester zwischen all den Verletzten selbstverständlich und seelenruhig damit beschäftigt gewesen, zu helfen und zu verarzten. Ich schwebte und hatte ein Gefühl von unendlicher Kraft und unbeschreiblichem Mitgefühl.
Dann irgendwann schaute ich an mir herunter und sah, dass ich überall voller Blut war. Plötzlich wachte ich abrupt aus diesem schlafwandlerischen, wunderbaren Zustand auf. Es war, als ob ich augenblicklich schockgefrostet würde. Mir liefen die Tränen herunter, ich hatte Angst, fing an, mit den Zähnen zu klappern, und sackte erschöpft zusammen. Dieses nie gekannte, unbeschreibliche Gefühl von absolutem Seelenfrieden, das so sein Ende nahm, konnte ich nie mehr vergessen. Aber damals verband ich es weder mit Gott noch mit sonst irgendetwas Besonderem. Immer, wenn ich mich daran erinnerte, ergriff mich einfach nur eine stille Dankbarkeit. Und mir blieb eine neu hinzugewonnene Sicherheit, dass auch das Unvorstellbarste möglich ist.
Erst heute weiß ich, dass ich damals - und auch all die Male davor und danach - Gott begegnet bin. Im Angesicht des Todes konnte ich alles loslassen, mich so vollkommen hingeben und entspannen, dass ich fühlen konnte, von welch tiefem Frieden, welch unbeschreiblichem Mitgefühl und welcher Liebe ich im Innersten erfüllt bin. Ich konnte erfahren,
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dass Wunder geschehen und es auch in ausweglosen Situation Rettung gibt. Bis ich das wirklich verinnerlichen konnte durfte es jedoch noch einiger weiteren Ausnahmekräfte meinem Leben.
Nur unter geduldiger, unnachgiebiger Mithilfe des Universums konnte Gott sich langsam in mein Leben schleichen.
Einige Jahre später. Mein beruflicher und persönlicher Zustand war desolat. Ich hatte einen Nervenzusammenbruch hinter mir und mich von allen zurückgezogen. Aber eine Freundin hatte mir in meine Einsiedelei hinein ein englischsprachiges Buch mit der Post geschickt, dessen Titel sinngemäß lautete: Die Boten der Dämmerung,
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