Liebe die bleibt
spürte seine Hand, die sich unter meinen Pullover geschlängelt hatte, lauschte seinem pulsierenden Atem – und dem merkwürdigen Ton, der sich wie ein vibrierendes Surren anhörte. Unvermittelt hielt Augustin in seinen Bewegungen inne, richtete sich auf. Mit einer fahrigen Handbewegung strich er sich die langen Haare aus dem Gesicht und fingerte hastig sein Handy aus der Hosentasche. Wie betäubt lag ich da, innerlich brodelnd.
Wenn ich ihm das Handy jetzt aus der Hand reiße, verwandelt er sich dann in einen Werwolf? mutmaßte ich zerknirscht, wunderte mich jedoch, dass er beim Telefonieren nicht das Zimmer verließ . Unbekümmert saß er neben mir und ließ mich ungeniert an seinem Gespräch teilhaben, dabei streichelte er mir sogar noch zärtlich über den Handrücken, so dass ich mir ein nachsichtiges Lächeln zwar nicht verkneifen konnte, was aber meine Hoffnungen auch nicht bestärkte, dass es sich bei dem Gespräch um ein belangloses Telefonat handelte. Augustin blickte auf seine Armbanduhr und versprach seinem Gesprächspartner, sich mit ihm in einer halben Stunde zu treffen. Als er das Gespräch beendet hatte, seufzte er theatralisch und zuckte entschuldigend mit den Schultern.
„ Tut mir leid, aber das ist wirklich ein sehr wichtiger Termin.“
Ich wollte nicht zickig oder zu frustriert wirken, mich nicht unbeliebt machen und mimte die Verständnisvolle, auch wenn es mir schwer fiel, mit meinen aufgeputschten Gefühlen allein gelassen zu werden.
„Das ist ein größeres Geschäft, eine türkische Hochzeit mit fünfhundert Personen, da kann ich richtig gut verdienen, und Folgeaufträge bekommen. Aber es eilt, deswegen muss ich mich heute noch mit dem Brautvater treffen“, teilte er mir begeistert mit. „Bitte entschuldige, sei nicht böse“, tröstete er mich weiter. „Aber du möchtest doch sicher keinen armen Schlucker an deiner Seite haben“, fügte er noch mit einem kecken Augenzwinkern hinzu.
Schon wieder so eine Bemerkung, die meine Mundwinkel zu einem Dauerlächeln formten . Ich mimte die schlimmstenfalls Leichtverletzte, so als sei es mir egal, mit einem Habenichts zusammen zu sein. War es auch. Ich suchte keinen Mann, der mich aushielt, ich suchte einen, der mich faszinierte, der mich liebte, mich zum Lachen brachte, mich sexuell begehrte, und auf den ich mich verlassen konnte. Mit dem ich zusammenpasste wie Blitz und Donner, Made und Speck, Nadel und Faden… Ich wollte Liebe, die bleibt. Keine Zweifel, die sich dazwischenmogeln, keine Enttäuschung, die mich verfolgt, ich wollte das WIR-Gefühl zelebrieren, mit all seinen Nichtigkeiten: Wir gehen ins Kino! Wir kaufen eine neue Küche! Wir gehören zusammen!
Ich möchte mit meinem Liebsten alles gemeinsam tun. Mit ihm lieben, streiten, lachen und weinen, und irgendwann mit ihm in einer Gruft begraben sein.
Meinen unausgesprochenen Wünschen nachhängend, saß ich auf der Couch und schaute Augustin dabei zu, wie er sich umständlich seinen Anorak anzog und mich dabei mit gespielter Skepsis musterte.
„Was ist? Du guckst so verklärt“, sagte er.
„Nichts, ich war nur in Gedanken“, erwiderte ich ertappt.
Ich richtete mich auf und half ihn dabei , die Kapuze seiner Jacke in Form zu bringen.
„Draußen ist es verdammt kalt. Du solltest deine Jacke zuknöpfen und deinen Hals besser vor der Kälte schützen. Hast du keinen Schal?“
Augustin sah mich an, als wäre mir soeben eine Kröte aus dem Hals gerutscht.
„Schal ?“, wiederholte er verdattert. „Richtige Männer tragen keinen Schal. Die tragen auch keine Mütze und keine Handschuhe… allenfalls eine Kapuze, und das auch nur im äußersten Notfall – bei arktischer Kälte.“
Ich schmunzelte und kniff Augustin wie einen Lausbuben in die Wange. Ich sog den herben Duft seines Aftershaves ein, als er sich zu mir herabbeugte, mich seine Haare im Gesicht kitzelten und ich seinen Abschiedskuss erwiderte.
„Bis morgen“, flüsterte er mir ins Ohr. „Ich hol dich morgen um 15.00 Uhr ab!“
„Was hast du vor?“
„Morgen gehen wir auf den Weihnachtsmarkt.“
„ Weihnachtsmarkt“, wiederholte ich andächtig, während Augustin eilig zur Tür strebte und mir noch einen Handkuss zuhauchte. Die Tür fiel ins Schloss und ich ließ mich seufzend auf die Couch fallen. Ich fühlte mich noch innerlich aufgeputscht, erotisch aufgeheizt, stimuliert von seinen Berührungen, die ich noch körperlich zu spüren glaubte. Ich konnte mich nicht einfach so lösen, war wie
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