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Liebe, fertig, los!: Roman (German Edition)

Liebe, fertig, los!: Roman (German Edition)

Titel: Liebe, fertig, los!: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Gibson
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schmerzhaft daran erinnerte, dass sein Großvater schon einundsiebzig war. »Wir gehen morgen früh angeln. Du solltest aufstehen und mitkommen.«
    Noch vor Jahren wäre John als Erster im Boot gewesen, doch in letzter Zeit wachte er morgens stets mit rasenden Kopfschmerzen auf. In aller Herrgottsfrühe aufzustehen, um sich den Arsch abzufrieren, reizte ihn einfach nicht mehr. »Ich denk darüber nach«, antwortete er, obwohl er genau wusste, dass er es nicht tun würde.
     
    Georgeanne hakte ihren kastanienbraunen BH zu, griff nach dem T-Shirt und zog es sich über den Kopf. Auf der Frisierkommode vor ihr lagen eine Seahawks-Basecap, eine Stoppuhr, eine Hansaplast-Bandage und eine ansehnliche Menge Staub. Ihr Blick schweifte zum großen Spiegel über der Kommode, und sie erschauderte. Der weiche schwarze Baumwollstoff spannte über ihren Brüsten, war aber an allen anderen Stellen viel zu weit. Sie sah aus wie eine Vogelscheuche, deshalb stopfte sie sich das T-Shirt in die ausgebeulte Drawstring-Shorts, die ihre großen Brüste und ihren breiten Hintern nur noch hervorhob – die beiden Stellen, die sie lieber nicht betonte. Entnervt zerrte sie das T-Shirt wieder raus, bis es ihr über die Hüften fiel, warf ihre Schuhe in die kleine Reisetasche und schnappte sich ihr Snickers. Sie hockte sich auf die Bettkante, schälte die dunkelbraune Verpackung ab und biss genüsslich in die gehaltvolle Schokolade. Ein euphorischer Seufzer kam ihr über die Lippen, während sie ihren Schokoriegel kaute. Sie legte sich zurück auf das blaue Deckbett, streckte sich aus und schaute zur Lampeninstallation an der Decke. In dem flachen weißen Glas lagen zwei tote Motten. Während sie ihre Schokolade verschlang, hörte sie durch die Holztür Johns und Ernies gedämpfte Stimmen. Wenn man in Betracht zog, dass John sie nicht besonders zu mögen schien, fand sie es seltsam, dass sein tiefes Timbre sie beruhigte. Vielleicht lag das daran, dass er meilenweit der einzige
Mensch war, den sie kannte, oder vielleicht auch daran, dass sie spürte, dass er gar nicht so ein Arsch war, wie er zu sein vorgab. Andererseits würde sich allein schon wegen seiner Größe so ziemlich jede Frau bei ihm sicher fühlen.
    Sie drehte sich hin und her, bis ihr Kopf auf Johns Kissen und ihre Füße auf ihrem Hochzeitskleid lagen, das sie ans Fußende des Bettes geworfen hatte. Während sie das Snickers verdrückte, überlegte sie, ob sie Lolly anrufen sollte, beschloss aber, noch zu warten. Sie hatte es nicht besonders eilig, den Kommentar ihrer Tante zu hören. Sie überlegte, ob sie aufstehen sollte, schloss aber lieber die Augen. Sie dachte daran, wie sie Virgil in der Parfümabteilung von Neiman-Marcus in Dallas kennengelernt hatte. Es fiel ihr immer noch schwer zu glauben, dass sie vor etwas mehr als einem Monat noch als Parfümverkäuferin gearbeitet und Proben von Fendi und Liz Claiborne verteilt hatte. Er wäre ihr wahrscheinlich nicht mal aufgefallen, wenn er sie nicht angesprochen hätte. Wahrscheinlich hätte sie auch seine spontane Einladung zum Abendessen nicht angenommen, wenn er nicht dafür gesorgt hätte, dass nach der Arbeit vor dem Laden Rosen und eine Limousine auf sie warteten. Es war so einfach gewesen, in den klimatisierten Luxusschlitten zu kriechen, raus aus der Hitze, der hohen Luftfeuchtigkeit und den Busabgasen. Wenn sie sich nicht so allein gefühlt hätte und ihre Zukunft nicht so unsicher gewesen wäre, hätte sie wahrscheinlich auch nicht eingewilligt, einen Mann zu heiraten, den sie erst so kurze Zeit kannte.
    Gestern Abend hatte sie versucht, Virgil beizubringen, dass sie ihn nicht heiraten konnte. Sie hatte versucht, die Hochzeit abzublasen, aber er hatte ihr nicht zugehört. Was sie getan hatte, tat ihr schrecklich leid, aber sie wusste nicht, wie sie es wiedergutmachen sollte.
    Sie ließ den Tränen freien Lauf, die sie den ganzen Tag über zurückgehalten hatte, und schluchzte leise in Johns Kissen. Sie weinte wegen ihres verpfuschten Lebens und der inneren Leere, die sie verspürte. Die Zukunft, Furcht erregend und unsicher, türmte sich bedrohlich vor ihr auf. Ihre einzigen Verwandten waren eine alte Tante und ein Onkel, die von Sozialhilfe lebten und deren Leben sich um Wiederholungen von uralten Sitcoms drehte.
    Sie war mittellos und kannte niemanden außer einem Mann, der sie gewarnt hatte, keine Nettigkeiten von ihm zu erwarten. Plötzlich fühlte sie sich wie Blanche Dubois in Endstation Sehnsucht . Sie hatte alle

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