Liebe, fertig, los!: Roman (German Edition)
hatte und keinerlei Anstalten machte, sie wiederzufinden.
Ungebeten stieg im Dunkel das Bild seiner Frau Linda vor ihm auf. Die Erinnerung daran, wie sie aussah, als er sie zum letzten Mal gesehen hatte – in einer Wanne mit blutigem Wasser sitzend, so vollkommen anders als das Mädchen mit dem frischen Gesicht, das er schon an der Highschool gekannt hatte.
Er dachte an die Schulzeit zurück, als er kurz mit ihr gegangen war. Doch nach dem Abschluss war er Hunderte von Meilen weggezogen, um in der Juniorenliga Eishockey zu spielen, und sein Leben hatte sich nur um den Sport gedreht. Er legte sich richtig ins Zeug und war mit zwanzig Jahren der erste junge Spieler, den die Toronto Maple Leafs für die 1982er Aufstellung engagierten. Sein wuchtiger Körper machte ihn zu einer dominierenden Größe im Team und brachte ihm rasch den Spitznamen »The Wall« ein. Seine Fähigkeiten auf dem Eis machten ihn zum Shootingstar, seine Fähigkeiten jenseits davon zum Star bei den Eisbahn-Häschen, die ihn für den Mark Spitz des Groupie-Pools hielten. John blieb vier Spielzeiten bei den Maple Leafs, bevor die New York Rangers ihn mit einem lukrativen Vertrag abwarben und zu einem der bestbezahlten Spieler in der Profiliga machten. Er vergaß Linda.
Als er sie wiedersah, waren sechs Jahre vergangen. Sie waren zwar gleichaltrig, verfügten jedoch mittlerweile über äußerst unterschiedliche Erfahrungshorizonte. John hatte viel
von der Welt gesehen. Er war jung und reich und hatte Dinge erlebt, von denen andere Männer nur träumen konnten. Anders als Linda hatte er sich mit den Jahren sehr verändert. Sie war im Großen und Ganzen noch dasselbe unbedarfte Mädchen, das er in Ernies Chevy durch die Gegend kutschiert hatte. Dasselbe Mädchen, das in seinen Rückspiegel geblickt und roten Lippenstift aufgetragen hatte, damit er ihn wieder verschmieren konnte.
Während einer Pause in der Eishockeysaison traf er Linda zufällig wieder. Er führte sie aus. Er nahm sie mit in ein Hotel, und drei Monate später, als sie ihm sagte, dass sie schwanger war, nahm er sie zur Frau. Sein Sohn Toby wurde nach fünf Monaten Schwangerschaft geboren. In den folgenden vier Wochen, während er hilflos zusehen musste, wie sein Sohn um Luft rang, träumte er davon, Toby alles beizubringen, was man ihm selbst über das Leben und über Eishockey beigebracht hatte. Doch seine Träume von einem kleinen Rabauken starben schmerzlich mit seinem Sohn.
Während John im Stillen trauerte, war Lindas Schmerz für alle sichtbar. Sie weinte ständig und war innerhalb kürzester Zeit von dem Wunsch nach einem zweiten Kind besessen. John wusste, dass er der Grund für diese Besessenheit war. Er hatte sie geheiratet, weil sie schwanger war, und nicht, weil er sie liebte.
Er hätte schon damals gehen sollen. Er hätte sie verlassen sollen, doch er hatte es nicht übers Herz gebracht. Nicht, solange sie trauerte, und nicht, solange er sich für ihren Schmerz verantwortlich fühlte. Er blieb noch das ganze nächste Jahr bei ihr. Er blieb, während sie einen Arzt nach dem anderen aufsuchte. Er blieb, während sie mehrere Fehlgeburten hintereinander erlitt. Er blieb, weil sich ein Teil von ihm eine Zeit lang ebenfalls nach einem zweiten Baby gesehnt hatte.
Er blieb, während sie immer tiefer in ihrer Verzweiflung versank.
Er blieb, aber er war ihr kein guter Ehemann. Ihr übermächtiger Wunsch nach einem Kind wurde zur Manie. In den letzten Monaten ihres Lebens ertrug er es nicht mehr, sie zu berühren. Je mehr sie sich an ihn klammerte, umso heftiger stieß er sie weg. Seine Affären mit anderen Frauen verheimlichte er ihr nicht einmal mehr. Es war der Ausdruck seines unbewussten Wunsches, dass sie ihn verließ.
Stattdessen entschied sie sich für Selbstmord.
John hob die Bierflasche an die Lippen und trank einen großen Schluck. Sie hatte gewollt, dass er sie fand, und so war es auch gekommen. Noch ein Jahr danach erinnerte er sich genau an den Farbton, den ihr Blut im Badewasser angenommen hatte. Er sah ihr kreidebleiches Gesicht und ihr feuchtes blondes Haar vor sich. Er roch das Shampoo, das sie benutzt hatte, und sah die Schnitte, die sie sich an den Handgelenken bis fast zu den Ellbogen zugefügt hatte. Er spürte immer noch den schrecklichen Tritt in den Bauch.
Jeden Tag lebte er mit der Schuld. Jeden Tag suchte er Ablenkung von seiner Vergangenheit und der Rolle, die er darin gespielt hatte.
John ging in sein Schlafzimmer und schaute auf die
Weitere Kostenlose Bücher