Liebe, fertig, los!: Roman (German Edition)
Privatlehrer gesucht? Irgendwas?«
»Nein.« Sie hat mich in der Benimmschule angemeldet , dachte sie.
»Warum nicht?«
»Sie glaubte nicht, dass man dagegen noch irgendwas hätte unternehmen können. Es war Mitte der siebziger Jahre, und damals gab es nicht so viele Informationen wie heute. Doch
selbst heute, in den Neunzigern, werden Kinder immer noch falsch eingeschätzt.«
»Tja, das sollte nicht so sein.« Sein Blick wanderte über ihr Gesicht und kehrte zu ihren Augen zurück.
Er sah immer noch wütend aus, aber ihr fiel kein einziger Grund ein, warum ihm das etwas ausmachen sollte. Das war eine Seite an John, die sie noch nie gesehen hatte. Etwas, das sich wie tiefes Mitgefühl anfühlte. Dieser Mann, der vor ihr stand, der Mann, der wie John aussah, verwirrte sie. »Ich sollte jetzt ins Bett gehen«, murmelte sie.
Er klappte den Mund auf, um etwas zu sagen, und schloss ihn wieder. »Träum süß«, sagte er und trat einen Schritt zurück.
Doch Georgeanne träumte nicht süß. Sie träumte sehr lange überhaupt nicht. Stattdessen lag sie im Bett, starrte an die Decke und lauschte Lexies gleichmäßigem Atem. Sie lag wach, dachte an Johns wütende Reaktion, und ihre Verwirrung wuchs.
Sie dachte über seine Ehefrauen nach, aber hauptsächlich über Linda. Nach so vielen Jahren brachte er es immer noch nicht fertig, über ihren Tod zu sprechen. Georgeanne fragte sich, was für eine Frau eine so große Liebe in einem Mann wie John weckte. Und sie fragte sich, ob es irgendwo auf der Welt eine Frau gab, die Lindas Platz in Johns Herzen einnehmen konnte.
Je mehr sie darüber nachdachte, desto klarer wurde ihr, dass sie das nicht hoffte. Sie wollte nicht, dass John mit irgendeiner spindeldürren Ziege glücklich wurde. Sie wollte, dass er den Tag bereute, an dem er sie am Flughafen abserviert hatte. Sie wollte, dass er sich für den Rest seines Lebens dafür in den Hintern trat. Nicht dass sie je wieder mit ihm zusammenkommen würde, denn das würde sie natürlich
nicht mal in Erwägung ziehen. Sie wollte nur, dass er litt. Und dann, wenn er lange, lange Zeit gelitten hatte, würde sie ihm vielleicht vergeben, dass er ein rücksichtsloser Arsch war und ihr das Herz gebrochen hatte.
Aber nur vielleicht.
DREIZEHN
Georgeanne hatte die Wahl zwischen Autoscooter, Sandbike-Fahren oder Inlineskaten an der Strandpromenade von Seaside. Nichts davon löste Begeisterungsstürme bei ihr aus (für sie klang das alles wie der reinste Höllentrip), doch da sie sich entweder entscheiden oder Lexies Wunsch, Autoscooter zu fahren, nachkommen musste, entschied sie sich für Rollerblading. Nicht etwa, weil sie es besonders gut konnte. Bei ihrem ersten und letzten Versuch war sie so auf den Allerwertesten geknallt, dass ihr die Tränen in den Augen standen. Sie hatte wie benommen auf dem Boden gesessen, während kleine Kinder unbekümmert an ihr vorbeiflitzten, und Sternchen gesehen. Und ihr Steißbein hatte so rasend wehgetan, dass sie ihre ganze Selbstbeherrschung aufbringen musste, um sich nicht mit beiden Händen den Hintern zu halten.
Ihre Erfahrung mit den Rollerblades stand ihr noch so lebendig vor Augen, dass sie sich fast für den Autoscooter entschieden und es auf ein Schleudertrauma hätte ankommen lassen; doch dann hatte sie die Promenade gesehen. Die »Prom« war ein wunderbar flacher Gehsteig, der sich den gesamten Strand entlang erstreckte und mit einer Steinmauer von etwa sechzig bis neunzig Zentimeter Höhe ans Meer grenzte. Die Bänke, die in den Stein gehauen waren, fielen ihr sofort auf und gaben den Ausschlag für ihre Entscheidung.
Georgeanne seufzte zufrieden, während die Meeresbrise mit ihrem Pferdeschwanz spielte. Sie streckte genüsslich
den Arm über die Lehne der Steinbank und schlug die Beine übereinander; der Rollerblade an ihrem linken Fuß schwang vor und zurück wie die Flut in etwa hundert Meter Entfernung. Wahrscheinlich wirkte sie etwas merkwürdig, wie sie in ihrer ärmellosen weißen Schnürbluse aus Seide und ihrem hauchzarten, weiß-violetten Rock mit ihren geliehenen Ultra Wheels dasaß. Doch sie fand, dass es besser war, merkwürdig auszusehen, als aufzustehen und auf den Hintern zu fallen.
Sie war hochzufrieden, einfach nur dort zu sitzen und John dabei zuzusehen, wie er Lexie das Rollerbladen beibrachte. Bei ihnen zu Hause schwirrte Lexie kühn auf ihren Barbie-Rollerskates durch die Nachbarschaft, doch das Balancieren auf einer Reihe aus Gummirädern brauchte Übung, und
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