Liebe im Spiel
»Eigentlich hat Selena Recht. Wenn wir reichen Männern begegnen könnten, sollte es auch durchaus möglich sein, einen zu heiraten.«
»Ich habe eine bessere Idee«, erwiderte Nancy freudlos. »Reiben wir alle Lampen und sehen, ob ein verdammter Dschinn herausspringt.«
»Ich würde das Geld gerne erarbeiten«, sagte Rufa, »wenn ich wüsste, wie ich genug verdienen könnte. Leider wird uns der Verkauf von Marmelade, bei einem Reingewinn von zweiundsechzig Pence pro Glas, bis Ende März keine Millionen Pfund einbringen.«
»Nun, sieh nicht mich an«, sagte Nancy. »Mein Trinkgeld reicht, so wie es aussieht, kaum für Zigaretten.«
Rufa hatte ihre Erschöpfung abgeschüttelt. Sie sah ihren Schwestern eindringlich ins Gesicht. »Ihr seid alle hübsche Mädchen, wisst ihr, und ich kann mich auch sehen lassen, wenn ich nicht gerade nach Minzpastete rieche. Das wäre ein Aktivposten – es ist beinahe schade, dass Brian uns nicht zusammen mit den Möbeln auf der Auktion anbieten kann.«
Schweigen entstand, während die vier die unbestreitbare, eindrucksvolle Schönheit bedachten, die bei einer Hasty selbstverständlich gegeben war. Es war ihnen nie in den Sinn gekommen, dass diese Schönheit mehr bewirken könnte, als ihnen Vorteile bei örtlichen Talentwettbewerben zu verschaffen. Und sie konnten nicht an ihr Aussehen denken, ohne die verzückte Stimme des großen Mannes zu hören: »Mein Serail, meine genetischen Wunder, meine einzigartigen Prinzessinnen …«
Rufa war mit ihren siebenundzwanzig Jahren eine Burne-Jones-Nymphe in Jeans und Timberlands. Ihre Haut war durchscheinend weich und blass, im Kontrast zur prächtigen Burgunderfarbe ihres herrlichen Haars (alle Mädchen besaßen Unmengen von Haar, weil der Mann darauf bestanden hatte, dass seine Lämmchen niemals geschoren würden). Rufas Augen zeigten ein seltenes, dunkles Blau, das im Schatten schwarz wirken und jäh zu saphirfarben erstrahlen konnte. Sie war ebenso groß, wie es der Mann gewesen war, und sehr dünn. Eine Modelagentin hatte sie »entdeckt«, als sie in der fünften Klasse in St. Hildegard’s war, und ihr vorgeschlagen, nach London zu kommen.
Der große Mann hatte sich, bei dem bloßen Gedanken daran, dass seine Erstgeborene und Lieblingstochter den lüsternen Blicken der Öffentlichkeit ausgesetzt werden sollte, ausgeschüttet vor Lachen. Es wurde nie wieder erwähnt.
Nancy war mit ihren sechsundzwanzig Jahren bis auf die üppigen Formen eine Renoir-Schönheit. Sie wirkte wie eine Art alternative erotischere Version von Rufa – weniger atemberaubend schön, sondern mehr vollkommen sexy. Nancys Haar wallte entschieden rot. Ihre großen, festen Brüste waren das Neidobjekt ihrer mageren Schwestern. Ihre Augen wirkten schläfrig und spöttisch, ihre Lippen üppig und wollüstig. Sie war eine Orchidee unter Maiglöckchen.
Die vierundzwanzigjährige Lydia ähnelte eher ihrer Mutter als dem Mann. Ihr Stil war bis ins kleinste Detail kunstvolle Zerbrechlichkeit. Sie war kleiner als Rufa und Nancy. Ihre Augen blickten heller, strahlender blau und ihre Wogen lockigen Haars glänzten goldbraun. An ihren besten Tagen erschien sie wie eine Hilliard-Miniatur, mit feinster Pinselführung gestaltet. Derzeit, ungekämmt und ätherisch, wirkte sie wie ein wehmütiger Grabengel in einem geheimen Garten, der Moos angesetzt hatte.
Selena, der nachträgliche Einfall des Mannes, war siebzehn. Sie war sehr groß und schlaksig, aber man konnte sie nur schwer genau beschreiben. Sie trug ihr Haar, von der gleichen Farbe wie Lydias, in geflochtenen Rastalocken. Weiterhin war sie mit einer kleinen runden Brille und Piercings in Nase, Unterlippe und Zunge verkleidet.
Selena sagte kummervoll: »Niemand heiratet mehr wegen Geld.«
»Die Menschen haben immer wegen Geld geheiratet«, widersprach Rufa, »und sie werden es auch weiterhin tun. Die meisten unserer Vorfahren haben das getan. Damals hat sich niemand um Romantik geschert.«
Die anderen wechselten heimlich viel sagende Blicke. Sie wussten, dass sie an Jonathan dachte, den Mann, der ihr das Herz gebrochen hatte.
»Eine Heirat ohne Liebe ist völlig sinnlos«, sagte Lydia, die Passive und Zurückhaltende, ungewohnt bestimmt. Sie war die einzige von ihnen, die je Erfahrungen mit der Ehe gemacht hatte. »Es ist ohnehin eine absolute Qual. Ich konnte Ran erst verlassen, als ich aufgehört hatte, ihn zu lieben.«
Dieses Mal beteiligte sich Rufa an den viel sagenden Blicken. Lydias Schwestern glaubten
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