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Liebe im Zeichen des Nordlichts

Liebe im Zeichen des Nordlichts

Titel: Liebe im Zeichen des Nordlichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen MacMahon
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weiter. Das Muster im Sand faszinierte ihn. Es wies tiefe Fersenabdrücke auf, so als wären Hunderte von Hufen darüber getrampelt. Er hatte keine Ahnung, was dieses Muster hinterlassen haben könnte. Vielleicht das Wasser.
    Plötzlich bekam er einen Krampf am linken Auge. Er schloss es und wischte einen dicken Wassertropfen weg. Es musste Regen sein. Wahrscheinlich war er zwischen Brillenglas und Auge durchgerutscht und hatte sich im Augenwinkel eingenistet. Der erste Regentropfen, und es fielen noch mehr. Große, nasse Regentropfen. Der Himmel war noch blau. Der Regen schien aus dem Nichts zu kommen.
    Hugh stapfte mit gesenktem Kopf weiter. Inzwischen hatte er die Krallenabdrücke von Vögeln im Sand bemerkt. Tausende und Abertausende. Winzige Spuren mit drei Zehen, so scharf umrissen, als hätte sie jemand mit dem Federmesser gezogen. Er fragte sich, von welchen Vögeln sie stammten. Sicher von sehr winzigen, wenn sie so zarte Spuren hinterließen. Nicht von Möwen. Dazu erschienen sie ihm zu klein. Er hatte keine Ahnung. Nun lebte er schon seit fast vierzig Jahren am Strand, und die Vögel waren ihm noch immer fremd. Eine seltsame Erkenntnis, die starke Verwirrung in ihm auslöste.
    Als er sich umschaute, sah er, dass der Strand abfiel und das Wasser sich wie geschmolzenes Glas um den Sand schmiegte. Der Hund tollte durchs seichte Wasser. Wenigstens einer, der sich hier zu Hause fühlte.
    Er wurde sich eines dröhnenden Schweigens bewusst. Über ihm der stille Himmel, um ihn herum der menschenleere Strand. Plötzlich fiel ihm der iPod ein, den Addie ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. Im nächsten Moment erinnerte er sich, dass er ihn in der Tasche hatte. Er hatte ihn, genau diese Situation vor Augen, eingesteckt und sich vorstellt, dass er, wie eine Gestalt aus der Oper, mit dem strahlenden Himmel im Hintergrund den Strand entlangmarschierte.
    Er entwirrte die Kabel und schaffte es, sich die Ohrhörer in die Ohren zu stecken. Dann hielt er das Gerät mit der linken Hand hoch und fing an, mit dem Mittelfinger der rechten die Taste zu bearbeiten. Addie hatte ihm zwar erklärt, wie es funktionierte, aber er hatte es vergessen. Nach einigen Fehlversuchen gelang es ihm, das Menü aufzurufen, und ein weiterer Tastendruck förderte eine Liste von Interpreten zutage. Ein letzter Druck, und wundersamerweise erklang Musik. Hugh war stolz auf seine Leistung. Er verstaute das Ding wieder in der Tasche und steuerte aufs Wasser zu.
    Das Stück erschien ihm vertraut, doch er konnte es nicht einordnen. Ein Trillern von Blasinstrumenten, ein Gefühl der Vorfreude. Beim Gehen straffte er die Schultern und drückte den Brustkorb heraus. Er spürte, wie ihm das Herz in der Brust schwoll.
    Gezupfte Saiten. Er wartete auf die Stimme, die, wie er wusste, gleich erklingen würde.
    »Belle nuit, ô nuit d’amour …«
    Er folgte den Hebungen und Senkungen der wunderschönen Stimme, und vor Rührung schnürte es ihm beim Zuhören die Kehle zu, so dass er stehen bleiben musste.
    »Le temps fuit et sans retour
    Emporte nos tendresses.«
    Es erklangen auch noch andere Frauenstimmen, die sich trennten und dann wieder vereinten. Er hatte das seltsame Gefühl, dass es seine Frau und seine Töchter waren, die da sangen, so als sei er von den Frauen in seinem Leben umgeben.
    Und ehe er wusste, wie ihm geschah, weinte er. Er weinte in aller Öffentlichkeit, ohne sich darum zu scheren, ob ihn jemand sah. Um eine Ehefrau, die er verloren hatte, und eine Tochter, die er so sehr liebte und nun auch verlieren sollte. Und um die Tochter, die er nie genug hatte lieben können und die nun bis zum Ende bei ihm bleiben würde.
    Inzwischen war ihm klar, dass eine bestimmte Logik dahintersteckte, die nun deutlich zu erkennen war. Bis jetzt hatte er sie nie bemerkt. Plötzlich hatte er den Eindruck, dass er bis jetzt überhaupt nichts verstanden hatte. Er war durchs Leben getrampelt, ohne seine Umgebung zur Kenntnis zu nehmen. Und seit er es nun tat, hatte er das Gefühl, dass es ihm das Herz brach.
    Er hatte sich über etwas definiert, das er nicht war. Das stand für ihn mittlerweile fest. Er war kein guter Mensch, ja er hatte sich beinahe absichtlich darum bemüht, keiner zu sein.
    Wie lange schon hatte er nicht mehr geweint? Seit dem Tod seiner Frau. Hatte er damals eigentlich eine Träne vergossen? Er konnte sich nicht erinnern. Schluchzend vor Schmerz stand er am Wasser. Es regnete heftig, doch er spürte nicht, dass er bis auf die Haut durchweicht

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