Liebe in St. Petersburg
Sagen Sie nur noch, Sie wollten mich in den Schlitten stecken, und Sie reiten auf Pferden!«
»So ist es, Gregorij!« Grazina lachte hell. »Aber so reiten dürfen wir auch nur, weil wir allein sind. Papa …«
»Der General würde es sofort verbieten«, unterbrach sie Anna Petrowna. »Gehen wir?«
»Ich bin Ulan, Anna Petrowna. Ich möchte auch ein Pferd.«
»Es ist zu gefährlich, Gregorij.«
»Wenn es für Sie nicht zu gefährlich ist …«
»Wir kennen die Wölfe! Wir sind ein Stück dieses Landes. Wirklich – im Schlitten sind Sie sicherer!« Anna Petrowna warf wie ein Jäger den Lederriemen des Gewehrs über die Schulter. »Sie haben noch keine Wolfsjagd mitgemacht?« Ein Lakai riß die Tür auf.
»Nein!«
»Vierzehn Werst von hier haben die Bauern ein Rudel von etwa dreißig Wölfen ausgemacht. Genau konnten sie nicht zählen, denn sie mußten vor ihnen flüchten. Einige unserer Dörfer sind während der Feiertage regelrecht von den Tieren belagert worden. Sie haben die Ställe angegriffen – es ist ein harter Winter in diesem Jahr, und die Wölfe heulen vor Hunger.«
»Dreißig Wölfe? Und da wollen Sie hin, Anna Petrowna?« rief Gregor entsetzt. »Mit diesen paar Männern?«
»Wir haben unsere Gewehre«, antwortete die Michejewa.
»Die Bauern haben keine Waffen?«
»Aber nein! Sie werden ihre Fackeln anzünden. Ein Wolf fürchtet nichts so sehr wie das Feuer!«
»Es wird immer viel Dummes über Wölfe erzählt, Gregorij«, sagte Grazina und lachte Gregor an. »Komm …«
Sie traten aus dem Haus. Die Bauern auf den kleinen struppigen Pferden zogen demütig die Mützen. Anna Petrowna schwang sich in den Sattel als sei sie ein Kosak. Grazina folgte ihr und zeigte dann lachend auf den Schlitten. Luschek saß bereits in den Felldecken, unter sich einen Beutel mit geräuchertem Schinken, drei Mettwürsten und einer Flasche Wodka. Alla sorgte für ihn, nachdem es ihm gelungen war, sie zu überreden, daß sein Bett breiter und wärmer sei als das ihrige. Seitdem schlief sie in seinen Armen wie ein schnurrendes Kätzchen. »Wenn ick könnte, bliebe ick jlatt hier, Herr Oberleutnant«, hatte Luschek gestern gesagt. »Diese Seite von Rußland bekommt mir ausjesprochen jut …«
Gregor zögerte. Dann wandte er sich ab, ging zu der Gruppe der berittenen Bauern und zeigte auf ein kräftiges Pferd. Der Muschik, der darauf saß, starrte den feinen Herrn ungläubig an.
»Ich kaufe es dir ab!« rief Gregor. »Zehn Goldrubel! Einverstanden?«
»Euer Hochwohlgeboren!« Der kleine Bauer verschluckte sich vor Aufregung. Er hustete und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Zehn ganze Goldrubelchen?«
»Steig ab! Nach der Jagd holst du dir das Geld bei mir ab! Geh zum Schlitten und leg dich lang. Los, komm schon runter!«
Der Bauer stieg strahlend von seinem Pferd. Grazina wollte etwas rufen, aber Anna Petrowna faßte nach ihrem Arm und schüttelte den Kopf. »Der General würde Bravo rufen!«
Sie ritt hinüber zu Gregor, nachdem dieser im Sattel saß. Das Bäuerlein zog seine Mütze, machte tiefe Verbeugungen und stolperte dann zum Schlitten, wo er neben Luschek unter die Decken kroch.
»Sie lieben den Kampf?« fragte Anna Petrowna, und ihre schwarzen Augen funkelten.
»Ich gehe ihm nicht aus dem Weg«, erwiderte Gregor lachend.
»Behalten Sie diesen Mut, Gregorij. Sie werden ihn noch brauchen!«
Damit gab sie ihrem herrlichen Pferd die Sporen und galoppierte davon. Der Schnee wirbelte unter den Hufen hoch. Grazina wartete vor dem Schlitten, bis Gregor neben ihr war. Anna Petrowna und die berittenen Bauern waren schon hundert Meter voraus.
»So ist sie immer!« meinte Grazina. »Ein Pferd und ein Gewehr – dann erkennt man sie nicht wieder!«
»Du bist nicht anders«, sagte Gregor und starrte sie an. Ihre Wangen waren schon gerötet. »Es ist, als würdet ihr nach Tagen der Gefangenschaft wieder an die Sonne kommen …«
Sie trabten an, die Schlittenkufen knirschten im verharschten Schnee, die Pferde schnoben. »Ja, was sind wir denn auch in Petersburg? Mit Kostbarkeiten behangene Kleiderständer! Bilder vom Reichtum und von der Macht der Michejews! Hier, auf Trasnakoje, können wir Menschen sein … solange wir allein hier sind. Wenn Vater kommt, ist das alles vorbei …«
Sie richtete sich im Sattel hoch, warf eine Hand in die Luft und stieß einen hellen Ruf aus. Das Pferd unter ihr streckte sich und galoppierte mit fliegender Mähne. Sie holten Anna Petrowna ein, die wie ein echter Jäger im
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