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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sattel saß und mit den Bauern in deren Mundart sprach und lachte. Für ›den General‹ wäre das unmöglich gewesen … Für ihn waren die Bauern nur lebendes Inventar seiner Besitzungen – mit einer Kuh oder einer Sau spricht man ja auch nicht …
    Nach einem Ritt von etwa zehn Werst durch einen lichten Birken- und einen dunkleren Fichtenwald kamen ihnen drei Bauern auf struppigen Gäulchen entgegen. Sie waren seit dem Morgen draußen auf Wache und hatten das Wolfsrudel verfolgt.
    »Noch drei Werst, Euer Hochwohlgeboren!« schrien sie schon von weitem. »Die Wölfe ziehen nach Machowska.«
    »Das ist gut!« Anna Petrowna hob den Kopf. Über ihrem schmalen Gesicht lag eine dünne Eisschicht: der gefrorene Nebel ihres eigenen Atems. »Dann bekommen wir sie in der Niederung. Vorwärts!«
    Und die Hufe stampften in den Schnee, wirbelten ihn auf und hinterließen eine Wolke aus Eisbrocken und Schneestaub, die genau über dem nachfolgenden Schlitten niederging.
    Luschek zog eine Decke über den Kopf. »Is det 'ne Scheiße, wat?« sagte er zu dem russischen Bauern. »Aber wir ham ja unsern Schnaps, wat?« Und als der Bauer dumm grinste, griff Luschek ins Stroh und holte die Wodkaflasche hervor. »Det verstehste, was?« sagte er und hielt die Flasche dem Russen hin. »Wenn uns nachher 'n Wolf anjreifen sollte, denn halt ick dir 'n Streichholz vors Maul und benutze dir als Flammenwerfer …«
    Die Jagd verlief weniger dramatisch, als Gregor sie sich vorgestellt hatte.
    Nach drei Werst sahen sie tatsächlich eine langgezogene Kette dunkler, geduckter Leiber. Das große Rudel zog durch den Schnee. Die Bauern zündeten ihre Pechfackeln an und hatten Mühe, die Pferde zu beruhigen, die in der Nähe der Wölfe ängstlich zu tänzeln und am Zaumzeug zu ziehen begannen. Dann schwärmten sie auseinander, die brennenden und qualmenden Fackeln über den Köpfen schwingend …
    »Hej!« schrien sie und ritten auf die Wölfe zu. »Hej! Hej! Ihr verfluchten Teufel! Hej!«
    Anna Petrowna, Grazina und Gregor blieben nebeneinander, die Gewehre entsichert quer vor sich auf den Sätteln.
    Bis auf wenige Schritte ritten sie an das Rudel heran. Die Wölfe drängten sich zusammen und heulten schauerlich. Aus den aufgerissenen Rachen mit den schaurigen Zähnen quollen die Dampfwolken ihres heißen Atems. Der Leitwolf, ein riesiges Tier mit einem eisgrauen Fell, stand vor der Meute und stemmte die Läufe in den Schnee. Er starrte Anna Petrowna böse an, als sie auf ihn zuritt. Seine Flanken zitterten, er duckte sich und wartete.
    »Bleiben Sie stehen!« brüllte Gregor. »Er springt Sie gleich an!«
    »Das will sie ja«, rief Grazina neben ihm. Sie hielt das Gewehr schußbereit halb hoch. »Sie schießt erst, wenn er sich abstößt.«
    »Das ist ja Wahnsinn!« Gregor riß sein Gewehr ans Kinn. Er zielte, und in diesem Augenblick griff der Leitwolf an. Mit einem heiseren Bellen stieß er sich ab, und gleichzeitig erscholl das markerschütternde Heulen des Rudels.
    Blitzschnell hatte Anna Petrowna das Gewehr gehoben, und es klang wie ein Schuß, als Gregor und sie zur gleichen Zeit abdrückten. Der riesige graue Wolf schien sich in der Luft herumzuwerfen, sein Maul klaffte weit auf, er stürzte zurück in den Schnee, drehte sich mit wildschlagenden Läufen und blieb dann liegen.
    Kurz danach schoß Grazina. Sie brauchte kaum zu zielen: die Masse der Wölfe, die nun wie erstarrt dastand, machte es ihr leicht. Sie schoß viermal und ließ dann das Gewehr sinken. Auch Anna Petrowna schoß ihr Magazin leer und kam dann zu Gregor zurück, der auf die sich in ihrem Blut wälzenden Wölfe starrte.
    »Jetzt passen Sie auf, Gregorij«, sagte Anna Petrowna mit ihrer dunklen Stimme. »Das ist es, was mich immer wieder fasziniert …«
    Das Rudel der unverletzt gebliebenen Tiere schien zu zögern. Ihr Hecheln, Heulen und heiseres Bellen erfüllten die Luft. Die Bauern mit den Fackeln zogen sich zurück, ebenso Anna Petrowna, Grazina und Gregor.
    Das war wie ein Signal. Mit einem einzigen Aufschrei warfen sich die Wölfe über ihre erschossenen Artgenossen und zerrissen sie. Der Hunger und der Blutgeruch hatten sie toll gemacht. Sie vergaßen die Menschen, sie vergaßen alle Gefahr und zerfetzten die Toten, rissen Fleischstücke aus den toten Körpern und schleppten sie zur Seite. Dort legten sie sich in den blutigen Schnee und fraßen. Zwischen ihren scharfen Zähnen zerkrachten die Knochen …
    »Das meinte ich!« sagte Anna Petrowna und sah Gregor dabei

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